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"Mein Vorbild ist seit eh und je Mats Hummels"

Nach dreieinhalb Jahren in Italien ist Lukas Spendlhofer nach Österreich zurückgekehrt.

Bei Sturm Graz will der 21-Jährige den endgültigen Durchbruch im Profifußball schaffen. Früher oder später soll der Karriereweg jedoch wieder über die Landesgrenzen hinaus führen.

„Ich bin nicht gerne immer nur zu Hause, sondern sehe lieber etwas von der Welt, bin ein Weltenbummler“, betont die Leihgabe von Inter, wo der Niederösterreicher noch bis Sommer 2016 unter Vertrag steht.

Über seine Zeit beim Mailänder Traditionsklub weiß Spendlhofer im LAOLA1-Interview ebenso zu erzählen wie über seine Vorliebe für gepflegten Spielaufbau der Marke Mats Hummels.

LAOLA1: Wie groß war die Erleichterung nach dem Befreiungsschlag gegen Wiener Neustadt?

Lukas Spendlhofer: Natürlich sehr groß. Jeder hat gewusst, was los ist, wenn wir verlieren. Im Endeffekt haben wir Charakter gezeigt, die Partie gedreht und gewonnen. Es tut natürlich gut, dass wir endlich angeschrieben haben und auch die Leistung hat in der zweiten Hälfte gepasst.

LAOLA1: Du sagst, jeder wusste, was im Falle eine Niederlage los gewesen wäre. Das Umfeld bei Sturm ist bekanntlich kein einfaches. Inwiefern war schon Unruhe zu spüren?

Spendlhofer: Sturm ist ein Verein, von dem die Fans viel erwarten. Von außen gab es eigentlich gar keine Unruhe, aber als Spieler, der bei Sturm spielt, erwartet man selbst mehr Punkte. Wir wollten diesen Sieg und haben ihn mit Wille erzwungen.

LAOLA1: Wo kann man Sturm in dieser Saison einordnen?

Spendlhofer: Das ist eine knifflige Frage. Wir haben eine blutjunge Truppe mit wenigen erfahrenen Spielern. Die Routiniers, die wir haben, machen das ganz gut und führen die jungen Spieler. Ich bin mit meinen 21 Jahren selbst noch ein junger Spieler, obwohl ich mich in dieser Truppe schon als einer der Älteren fühle. Es ist noch zu früh, um uns platzierungsmäßig einzuordnen. Dafür bin ich auch noch nicht lange genug hier. Ich glaube aber, dass wir in Grödig wirklich eine super Partie gemacht haben. Jeder konnte sehen, was wir drauf haben, wenn wir konzentriert sind. Es war bitter, dass wir dieses Spiel aus der Hand gegeben haben. Aber ich denke, dass wir die Spielphilosophie, die wir auf den Platz bringen wollen, schon ganz gut umsetzen – auch in der zweiten Hälfte gegen Wiener Neustadt. Ein paar Sachen müssen wir noch abstellen und verbessern. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

Spendlhofer bringt sich im Abwehrzentrum und im zentralen Mittelfeld in Stellung

LAOLA1: Du sprichst deine Vergangenheit im Mittelfeld an, bist inzwischen eigentlich Innenverteidiger, gegen Wiener Neustadt hast du als Rechtsverteidiger ausgeholfen. Muss man sich irgendwann auf eine Position festlegen oder sollte man sich so viel Flexibilität wie möglich bewahren?

Spendlhofer: Außenverteidiger habe ich wirklich noch ganz selten gespielt – ich glaube, in der U21 habe ich am Schluss einmal ausgeholfen. Mir taugt es, wenn ich hin und wieder einmal etwas anderes spiele. Die eine Lieblingsposition habe ich eigentlich gar nicht – am liebsten jedoch zentral, die rechte Seite ist wahrscheinlich nicht so meines. Aber wenn mich der Trainer dort braucht, ist es auch kein Problem. Das hat auch gegen Wiener Neustadt gepasst. Es war nicht meine Aufgabe, dass ich in meinen 30 Einsatzminuten zehn Flanken schlage. Von dem her hat es gut funktioniert.

LAOLA1: Du hast die letzten dreieinhalb Jahren in Italien verbracht – ein Land, in dem Taktik im Fußball einen großen Stellenwert genießt. Wie darf man sich diese Ausbildung vorstellen?

Spendlhofer: Bei Inter haben wir in der zweiten Mannschaft vom System her wie die erste gespielt – viel Ballbesitz, wir wollten immer dominant sein. Hier war schon sehr viel Taktik im Spiel, aber in der zweiten Liga bei Varese war das Thema noch viel präsenter, weil wir es auch mehr gebraucht haben, im Gegensatz zu Inter nicht immer das Spiel gemacht haben. Bei Varese hat man sich auf jeden Gegner genau eingestellt. Welche Passwege muss ich zumachen? Wo haben sie ihre Stärken, die wir nicht zur Geltung kommen lassen dürfen? Wie muss ich stehen? Wir haben unser System und unsere Spielertypen an den Gegner angepasst. Das war sehr lehrreich. Erlernt wird das in Italien oft in Trockenübungen, in denen ohne Ball auf dem Platz das Verschieben geübt wird.

LAOLA1: Wird diesbezüglich in Italien manchmal sogar ein wenig übertrieben und andere Elemente hintenangestellt?

Spendlhofer: Das ist Geschmackssache. Wenn man sich von der Taktik her an den Gegner anpasst und es geht auf, sagt man, es hat gepasst. Wenn man trotzdem verliert, kann man sagen: „Hätten wir etwas anderes trainiert.“ Meiner Meinung nach sind es schon super Dinge, die im Spiel oft gut aufgehen. Es ist ganz wichtig, dass man einen guten Matchplan hat.

LAOLA1: Wer sind die Führungskräfte, die einem jungen Spieler am meisten helfen?

Spendlhofer: Natürlich Christian Gratzei. Er ist schon ewig hier und weiß genau, wie es bei Sturm ist, wenn es gut oder schlecht läuft. Michael Madl nimmt als Kapitän die Führungsposition super an, er macht das wirklich gut. Christian Klem ist schon lange hier, ebenso Martin Ehrenreich, auch wenn er verletzt ist. Die Spieler, die schon länger im Verein sind und Erfahrung haben, sind die Leader-Typen. Das braucht die Mannschaft auch, vor allem die ganz jungen Spieler, die von den Amateuren kommen. Man muss ihnen zeigen, wie es gehen soll. Das habe ich damals bei Inter auch gebraucht.

LAOLA1: Welche Vorzüge bringst du persönlich ein? Vor allem der Spielaufbau scheint eine Stärke von dir zu sein.

Spendlhofer: Mein Vorbild ist seit eh und je Mats Hummels von Borussia Dortmund. Er ist ein moderner Innenverteidiger, und das will ich auf meine Art auch spielen. Wenn es geht, will ich keinen einzigen Ball wegschießen, weil mir das überhaupt nicht gefällt – das kann jeder. Rausspielen kann nicht jeder. Auch wenn es nicht immer gut geht und einmal ein Fehlpass passiert, will ich das immer probieren. Da ich früher im Mittelfeld gespielt habe, verfüge ich über Ballsicherheit. Ich verspüre keine Nervosität, wenn ich hinten den Ball habe und jemand auf mich zukommt. Das taugt mir, zum Fußball gehört auch ein bisschen Risiko. Natürlich darf man es hinten nicht übertreiben, aber Ballwegschießen ist eben nicht mein Spiel. Ich habe es lieber, wenn der Ball am Boden ist. Das schaue ich mir auch im TV lieber an als irgendeinen Horuck-Fußball.

Der leihweise Wechsel zu Varese brachte nicht die gewünschte Spielpraxis

LAOLA1: Vergangene Saison warst du an Varese verliehen, hast jedoch kaum Spielzeit bekommen. Was war der Grund?

Spendlhofer: Es war ein schweres Jahr, aus dem ich trotzdem viel mitgenommen habe. Am Anfang habe ich noch mehr gespielt, am Schluss gar nicht mehr. Wir haben gegen den Abstieg gespielt, hatten zwei verschiedene Trainer und beide haben vor allem in der Abwehr lieber erfahrenen Spielern das Vertrauen geschenkt. Das musste ich akzeptieren, ich bin auch keinem böse.

LAOLA1: Ist es ein generelles Problem in Italien, dass junge Spieler im Vergleich zu anderen Ländern weniger Chancen bekommen?

Spendlhofer: Das sehe ich auf jeden Fall so und das sagen auch viele in Italien. Sie fordern, dass die Jungen mehr spielen. Aber man bekommt als Talent schwerer die Chance. In Deutschland werden Tormänner mit 20 reingestellt und sie machen ihre Sache verdientermaßen gut. Das gibt es in Italien kaum, auch wenn ich glaube, dass es etwas besser wird. Es wird dennoch mehr Wert auf Erfahrung gelegt.

LAOLA1: Wie groß ist diese persönliche Geduldsprobe? Wenn du beispielsweise zum U21-Nationalteam gekommen bist, war es vermutlich nicht einfach zu sehen, dass viele Altersgenossen schon mehr Erfahrung im Profibereich sammeln durften.

Spendlhofer: Sicher wird die Geduld auf die Probe gestellt. Gerade das letzte Jahr hätte ich mir anders vorgestellt, keine Frage. Ich wollte deswegen auch das Land wechseln, und zwar in eine Liga, in der junge Spieler leichter eine Chance kriegen. Aber zur U21: Ich habe im Training noch nie gesehen, dass das eine so große Rolle spielt, denn – ich sage keine Namen – da gibt es auch andere Spieler, die im Verein keine Spielpraxis haben und ich denke mir, der spielt so gut, als würde er jede Woche Champions League spielen. Es ist wichtig, dass man Spielpraxis hat, aber wenn man keine hat, hindert es einen auch nicht daran, dass man in der U21 seine Leistung abruft.

LAOLA1: Dein Vertrag in Mailand läuft bis 2016. Wie darf man sich deine mittelfristige Perspektive vorstellen? Planst du als Sturm-Stammspieler nach Italien zurückzukehren?

Spendlhofer: Den Plan, wie es genau ausschauen soll, gibt es nicht. Ich soll in diesem Jahr viel mehr als letztes Jahr spielen, das steht außer Frage. Aber auch wenn ich jetzt bei Sturm ein Jahr Stammspieler bin, werde ich wohl eher nicht als Stammspieler zu Inter zurückkehren. Sie haben jedoch schon signalisiert, dass man sich das vertragsmäßig anschauen oder noch einmal eine Leihe machen kann. Darüber kann man noch nicht viel sagen, aber sie sind für alles offen. Wichtig ist jetzt einmal, dass ich viel spiele, an alles andere sollte ich noch gar nicht so viel denken.

LAOLA1: Wer waren bei Inter die Bezugspersonen, die dich unter ihre Fittiche genommen haben und von denen du besonders viel gelernt hast?

Spendlhofer: Javier Zanetti und Esteban Cambiasso. Wir hatten viele Argentinier, die viel gemeinsam unternommen haben, deswegen hatte man außerhalb des Platzes nicht viel Bezug zu ihnen. Aber auf dem Platz waren das die beiden Spieler, die immer zu den Jungen gekommen sind – zu mir besonders, weil ich ebenfalls Verteidiger bin. Auch von Walter Samuel konnte man viel lernen. Sie haben Tipps zu Dingen wie Stellungsspiel gegeben. Das war schon lässig, da konnte man viel lernen.

LAOLA1: Dass mit Mateo Kovacic ein in Österreich geborener Spieler zu Inter wechselte, war vermutlich kein Nachteil…

Spendlhofer (schmunzelt): Ich wusste zwar, dass er in Linz aufgewachsen ist, aber nicht genau wie lange. Als er zu uns gewechselt ist, habe ich mich auf Hochdeutsch bei ihm vorgestellt. Er hat mir im vollen Dialekt geantwortet. Das hat mir gefallen. Er hat mir gleich gesagt, dass seine Eltern immer noch in Linz leben. Es war, als hätte man einen zweiten Österreicher im Verein.

LAOLA1: Dein Förderer bei Inter war Andrea Stramaccioni. Besteht noch Kontakt?

Spendlhofer: Jetzt nicht mehr so. Wir haben unter ihm die Nachwuchs-Champions-League gewonnen und sind mit der zweiten Mannschaft Meister geworden. Er hat mich in den Profi-Kader geholt, unter ihm habe ich das Serie-A-Debüt gefeiert. Er war für mich ein besonderer Mensch, von dem ich sehr viel mitgenommen habe. Während meiner Zeit in Varese bekam ich ab und zu SMS von ihm. Seit ich bei Sturm bin, noch nicht, das kommt vielleicht noch. Er ist jetzt Trainer von Udinese. Darauf bin ich schon gespannt. Ich glaube, der Verein passt ganz gut mit ihm zusammen.

LAOLA1: Man muss vor dem zweiten ohnehin den ersten Schritt machen. Dennoch hat jeder Spieler eine Vorstellung, wo es in einer Karriere hingehen soll. Welche Ziele möchtest du abhaken?

Spendlhofer: Ich würde gerne verschiedene Länder anschauen, neue Sprachen und Kulturen kennenlernen. Aber das sind Nebeneffekte. Das Wichtigste ist klarerweise, dass du dich wohl fühlst und spielst. Wenn ich jedoch in meiner Karriere noch vier, fünf neue Länder kennenlerne, hätte ich auch kein Problem damit. Vor allem Deutschland wäre nicht schlecht, die Liga gefällt mir momentan sehr gut, weil sie kontinuierlich wächst. England ist die beste Liga der Welt, reizt mich aber von der sportlichen Herangehensweise nicht so. Ich glaube, das ist nicht ganz meines, als Liga reizen mich Spanien oder Deutschland mehr. Aber wenn ich ein Angebot von Manchester City bekomme, werde ich auch nicht Nein sagen…(schmunzelt)

LAOLA1: Du scheinst generell der Typ zu sein, der über den Tellerrand des Fußballs hinausblickt, oder?

Spendlhofer: Das auf jeden Fall. Durch den Fußball stehen einem viele Türen offen. Ich hätte mein ganzes Leben lang nicht Italienisch gelernt, jetzt kann ich die Sprache perfekt. Ich habe dreieinhalb Jahre lang in Italien gelebt, das nimmt einem keiner mehr. Ich bin nicht gerne immer nur zu Hause, sondern sehe lieber etwas von der Welt, bin ein Weltenbummler, schaue mir gerne verschiedene Sachen an und hatte auch keine Angst, mit 17 Jahren alleine nach Mailand zu gehen. Sicher war es eine Umstellung, aber ich betrachte es als reizvolles Abenteuer. Es gibt ja nicht nur Fußball, wenn man irgendwo ist.

Das Gespräch führte Peter Altmann