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"Vielleicht hat seine Geburt neue Kräfte freigesetzt“

Ein echter Glücksgriff.

Anders kann die Verpflichtung von Michael Liendl für den Wolfsberger AC nicht bezeichnet werden.

Der 27-Jährige spielt die Saison seines Lebens.

Acht Tore und zehn Assists unterstreichen diese Behauptung.

„Wenn man nach den Statistiken geht, dann auf alle Fälle“, macht auch der Vorarlberger kein Hehl daraus, dass es heuer einfach läuft.

Im LAOLA1-Interview spricht der Mittelfeldspieler über den tadellosen Start der Wölfe ins Frühjahr, seine starken Leistung und warum der neue Meister nur Austria Wien heißen kann.

LAOLA1: Michi, ihr habt im Frühjahr noch eine weiße Weste, habt zuletzt Sturm und Rapid geschlagen. Salzburg kann also kommen, oder?

Michael Liendl: Es gibt natürlich leichtere Gegner als Salzburg. Wir haben allerdings einen sehr, sehr guten Start hingelegt. Was wiederum die Ausgangslage erleichtert. Wir können gegen die Bullen ohne Druck spielen. Unser Ziel ist es aber auch, diese Partie zu gewinnen und zu punkten.

LOALA1: Hast du persönlich damit gerechnet, dass es gleich zu Beginn so gut läuft? Hat sich das in der Vorbereitung in irgendeiner Form angekündigt?

Liendl: Der ganze Klub hat im Winter sehr gut gearbeitet – das unterstreichen auch die Ergebnisse in den Testspielen. Wir hatten sehr viele Vorbereitungs-Begegnungen und haben nur zwei verloren. Es hat sich also angedeutet, dass viel richtig gemacht wurde. Dass man aber gegen Sturm auswärts und gegen Rapid daheim gewinnt, kann man schwer voraussagen.

LOALA1: Mit eurem kommenden Gegner Salzburg habt ihr noch eine Rechnung offen. Es ist der einzige Klub, gegen den noch kein einziger Punkt eingefahren wurde.

Liendl: So ist es. In den beiden bisherigen Spielen waren sie immer um das gewisse Etwas besser. Wir hatten zwar unsere Chancen, konnten sie jedoch nicht nutzen. Salzburg war unterm Strich besser, deswegen haben wir zurecht verloren. Aber schauen wir, was diesmal passiert.

LAOLA1: Spielt euch die Ausgangslage in die Karten? Ihr habt mit zwei Erfolgen viel Selbstvertrauen getankt, Salzburg steht angesichts der Tabellenkonstellation gehörig unter Druck, ist quasi zum Siegen verdammt.

Liendl: Salzburg ist sicher noch nicht dort, wo sie sein wollen – von den Ergebnissen, von der Art und Weise wie sie spielen. Wir sind zwar sehr gut drauf, aber das heißt nichts. Es sind 90 Minuten, Elf gegen Elf stehen sich gegenüber. Vorhersagen sind immer schwierig.

LAOLA1: Trainer Nenad Bjelica vergleicht die Begegnung mit dem Duell Granada gegen Barcelona. Für ihn seid ihr der ganz klare Underdog. Teilst du diese Meinung?

Liendl: Es ist einfach Fakt, dass wir klarer Außenseiter sind. Salzburg ist in allem über uns zu stellen – egal ob Budget, Kader oder Umfeld. So realistisch muss man sein. Man kann nicht behaupten, dass man Salzburg im Vorbeigehen schlägt. Wir wissen aber, dass wir an einem guten Tag und wenn wir unsere Leistung abrufen, auch gegen Salzburg punkten bzw. gewinnen können. Das haben wir gegen Rapid gewusst und das haben wir gegen Sturm gewusst. Wenn also alles zusammenrennt, können wir Salzburg schlagen.

LAOLA1: Der WAC hat nur zwölf seiner 28 gesammelten Punkte in der Lavanttal-Arena geholt. Hast du eine Erklärung, warum ihr euch daheim so schwer tut?

Liendl: Das ist schwer zu beantworten. Wir haben zuhause sehr viele Punkte unglücklich liegen gelassen. Vielleicht waren wir am Anfang der Saison auch etwas naiv. Wir haben aus diesen Fehlern gelernt. In der Fremde sind wir der noch größere Underdog, können auf Konter spielen. Und das liegt uns etwas mehr. Im eigenen Stadion muss man schon mehr für das Spiel tun. Mit dem Sieg gegen Rapid haben wir aber gezeigt, dass es auch vor eigenem Publikum klappt.

LAOLA1: Ihr seid Tabellensechster. Steckt ihr im Niemandsland der Liga?

Liendl: Niemandsland ist der falsche Ausdruck. Wir haben nach hinten nicht so viel Vorsprung, aber auch der Tabellenfünfte Ried ist nicht so weit weg. Ich würde es Mittelpunkt der Liga nennen. Es kann noch in beide Richtungen gehen. Deswegen ist es auch eine gefährliche Situation. Wir dürfen nicht glauben, dass wir, nur weil wir Rapid geschlagen haben, nur noch nach oben schauen können.  Nach Salzburg geht es gegen die letzten Vier der Tabelle. Danach wird sich weisen, wohin unsere Reise geht.

LAOLA1: Du persönlich spielst bisher eine fantastische Saison, hast acht Tore selbst erzielt und zehn vorbereitet. Der Wechsel von Wien nach Kärnten hat sich voll ausgezahlt.

Liendl: Ja, sicher. Ich habe schon oft erwähnt, dass ich diesen Schritt nie bereut habe. Ich hatte drei schöne Jahre bei der Austria, habe mich auch dort etabliert und durchgesetzt. Jetzt fühle ich mich aber auch sehr gut. Ich spiele wirklich eine tolle Saison und hoffe, dass es so weitergeht.

LAOLA1: Kommt dir die Spielweise der Wolfsberger zugute? Oder wie erklärst du dir, dass du derart zur Geltung kommst?

Liendl: Es sind mehrere Punkte. Natürlich kommt mir die Spielweise entgegen, weil ich viele Freiheiten besitze. Ich kann sehr viel nach vorne machen. Das liegt mir mehr. Und wahrscheinlich läuft es deswegen so gut. Wobei es immer einfacher ist, wenn es auch mannschaftlich läuft, dann tue ich mir auch leichter. Und das ist beim WAC der Fall.

LAOLA1: Und deiner Person wird eine große Wertschätzung entgegengebracht.

Liendl: Ja, es ist ein anderes Standing, als in Wien. Das heißt aber nicht, dass ich der Austria einen Vorwurf mache. Es ist einfach so, wahrscheinlich auch deswegen, weil ich von der Austria gekommen bin. Momentan ist es so, dass ich dieses Standing auch rechtfertige und der Mannschaft das in mich gesetzte Vertrauen mit Leistungen zurückzahlen kann. Man sieht, was man leisten kann, wenn eine gewisse Rückendeckung vorhanden ist.

LAOLA1: Erleben wir aktuell den besten Michael Liendl aller Zeiten?

Liendl: Wenn man nach den Statistiken geht, dann auf alle Fälle. Ich hatte schon die eine oder andere gute Saison in meiner Karriere, aber die aktuelle ist über alle zu stellen. Es heißt aber nicht umsonst, dass man mit 26, 27 im besten Fußballeralter ist. Dementsprechend bin ich mitten drinnen. Die Saison ist aber noch nicht vorbei, ich habe noch einiges vor, möchte noch etwas mitnehmen.

LAOLA1: Welche Rolle spielt die Geburt deines Sohns Leo Ende August. Seither wirkst du noch befreiter.

Liendl: Ab diesem Zeitpunkt hat mein Lauf angefangen. Vielleicht hat seine Geburt neue Kräfte freigesetzt. Man sieht gewisse Dinge anders. Du lebst anders. Meine Familie ist einfach das Wichtigste in meinem Leben.

LAOLA1: Dein Ex-Klub Austria liegt auf Meisterkurs. Ist es für dich ein bisschen eine Ironie des Schicksals, dass es heuer so gut für die Violetten aussieht und in den letzten drei Jahren mit dir kein Titel heraussprang?

Liendl (lacht): Wir haben in meiner ersten Saison in Favoriten einen neuen vereinsinternen Punkterekord aufgestellt und sind dennoch nur Zweiter geworden. Das war bitter. Und es ist sehr schade, dass in meinen drei Jahren kein Titel herausgesprungen ist. Doch so ist der Fußball. Ich hätte wirklich gerne einen Titel geholt. Ich freue mich jetzt  jedenfalls, dass es bei ihnen so gut läuft und wenn sie Meister werden. Austria ist ein Spitzenklub, der top geführt wird und tolle Fans hat. In diesem Klub steckt sehr viel Geschichte.

LAOLA1: Kann die Austria heuer am Weg zum Titel noch gestoppt werden?

Liendl: Nein! Das kann ich mir nie und nimmer vorstellen. Sie machen zurzeit sehr, sehr viel richtig. Auch wenn sie einmal nicht so gut spielen, gewinnen sie ihre Spiele in souveräner Manier. Das zeichnet die Mannschaft heuer einfach aus. Der Punktevorsprung ist bei den verbleibenden Spielen schon zu groß. Es muss schon mit dem Teufel zugehen, damit sie sich das noch nehmen lassen.

Das Gespräch führte Martin Wechtl