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"Man muss die Dinge realistisch betrachten!“

„Man muss die Dinge realistisch betrachten!“

Seit 114 Tagen übt Ivica Vastic den Job als Cheftrainer der Wiener Austria aus.

In dieser kurzen Zeit durchlief der 42-Jährige schon fast alle Höhen und Tiefen des Fußball-Geschäfts.

Zunächst als Heilsbringer und Hoffnungsträger gepriesen, hagelte es nach nur wenigen Spielen massive Kritik.

Die defensive und teilweise ängstliche Spielausrichtung wurde genauso scharf verurteilt, wie die Ausbootung von Topverdiener Roland Linz.

Inzwischen ist etwas Ruhe eingekehrt. Die negativen Stimmen gegenüber seiner Person sind leiser geworden, verstummt sind sie aber noch lange nicht.

Vor dem großen Showdown mit Erzrivale Rapid bat LAOLA1 den Trainer zum Interview.

LAOLA1: Herr Vastic, ihre Ausbeute nach zehn Spielen auf der violetten Trainerbank beträgt 16 Punkte bei einem Torverhältnis von 8:6. Sind Sie mit dieser Bilanz zufrieden?

Ivica Vastic: Im Grunde schon, obwohl es natürlich besser hätte sein können. Man muss nur an die Spiele gegen Sturm und Salzburg denken, wo wir jeweils mit der letzten Aktion noch den Ausgleich bekommen haben. Dazu der reguläre, aber aberkannte Treffer gegen Kapfenberg. Daher wären noch mehr Punkte und Tore möglich gewesen.

LAOLA1: Ihnen wehte bereits recht schnell ein rauer Wind entgegen. Überrascht?

Vastic: Damit habe ich eigentlich nicht gerechnet. Anscheinend gehört das zum Fußball-Geschäft dazu. Austria ist ein großer, traditionsreicher Verein. Die Erwartungshaltung ist dementsprechend hoch. Für mich ist es eine große Herausforderung und ich werde nicht davonlaufen. Aber ich gebe schon zu, dass ich mir mehr Unterstützung gewünscht hätte.

LAOLA1: Fehlt einigen der Blick für die Realität? Waren bzw. sind die Ansprüche an ihre Person zu hoch?

Vastic: Man muss die Dinge realistisch betrachten. Was ist möglich? Was kann man verlangen? Diesen Fragen muss nicht nur ich mir stellen, sondern auch die Mannschaft und die Fans. Daher ist aktuell die Frage: Wofür reicht es? Unser primäres Ziel ist die Qualifikation für einen internationalen Startplatz. Da liegen wir im Plan, die Route passt. Ich bin davon überzeugt, dass wir dieses Ziel erreichen. Sobald der Europa-League-Startplatz fix ist, können wir uns nach oben orientieren.

LAOLA1: Berührt Sie die Kritik, oder prallt sie ab?

Vastic: Es ist gleich zu Beginn verlangt worden, einen schönen und erfolgreichen Fußball zu praktizieren. Man darf aber nicht vergessen, dass es eine lange Winterpause gab, die Spieler dadurch nicht gleich in Hochform agieren können, sondern eine gewisse Zeit brauchen, um auf Touren zu kommen. Mit Barazite und Junuzovic haben uns zwei Kreativ-Spieler im Winter verlassen, neue Akteure sind gekommen. Dazu noch die schlechten Platz-Verhältnisse und unsere Gegner, die sehr eng gestanden sind. Das sind alles Faktoren, die es nicht ermöglichen, gleich zu Meisterschaft-Start einen schönen Fußball zu zeigen. Ich hätte auch am liebsten sofort attraktiv mit Endzweck auf ein gutes Ergebnis gespielt. Wir arbeiten tagtäglich daran, aber es geht nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit.

LAOLA1: Wie schmal ist der Grat, Ergebnisse zu liefern und zugleich die Mannschaft zu entwickeln?

Vastic: Ganz schmal. Man verliert die besten Spieler, bekommt neue dazu, muss diese aber erst integrieren. Die Situation ist wirklich nicht leicht. Im Moment schaut es aber ganz gut aus. Wir kommen langsam in Fahrt. Gegen Sturm waren wir die klar bestimmende Mannschaft, auch gegen Salzburg waren wir das gefährlichere Team. Wir haben den Liga-Krösus klar beherrscht und teilweise zur Verzweiflung gebracht, wie zuvor noch keine andere Mannschaft in Österreich. In Ried konnten wir erstmals seit zwei Jahren wieder gewinnen. Der Trend zeigt nach oben. Die Mannschaft hat sich stabilisiert. Ich hoffe, dass wir unsere Leistungen in dieser entscheidenden Phase bestätigen können.

LAOLA1: Es gibt bei Ihnen gewisse Parallelen zu Peter Schöttel. Auch der Rapid-Trainer wurde zu Beginn seiner Ära schnell kritisiert. Wie sehen Sie seine Situation?

Vastic: Ich will mich nicht zu sehr in Dinge anderer Leute einmischen. Dass er es auch nicht immer leicht hat, liegt auf der Hand. Austria und Rapid sind die traditionsreichsten Klubs in Österreich. Die Fans verlangen immer, dass ihr Verein oben mitspielt. Nirgendwo anders ist der Druck so groß wie bei den beiden Wiener Klubs.

LAOLA1: War es für Schöttel ein Vorteil, dass er seine Bundesliga-Karriere als Trainer in Wiener Neustadt startete? Dort steht man nicht so in der Öffentlichkeit, kann in Ruhe arbeiten.

Vastic: Das kann sein. Peter war aber auch schon davor bei Rapid. Er kennt das Umfeld wie seine Westentasche, schließlich hat er fast sein ganzes Leben in Hütteldorf verbracht. Mit den Erfahrungen, die er in Neustadt gesammelt hat, und der vertrauten Umgebung bei Rapid tut er sich sicher leichter, mit allem fertig zu werden.

LAOLA1: Hilft Ihnen der Umstand, dass auch sie bereits als Spieler und als Amateure-Trainer in Favoriten waren.

Vastic: Selbstverständlich. Für mich ist es hier auch eine vertraute Umgebung. Daher war der Wechsel vom Amateur- zum Proficoach wesentlich einfacher. Die Umstände meiner Beförderung waren jedoch nicht so einfach. Ich bekomme aber mit, dass ich als Trainer immer besser an die Mannschaft herankomme. Die Spieler akzeptieren und verstehen meine Philosophie immer besser. Wir funktionieren.

LAOLA1: Am Sonntag kommt es zum Duell mit Rapid. Ist es das Spiel der allerletzten Chance, wenn man ganz oben noch ein Wörtchen mitreden will?

Vastic: Es ist eine große Möglichkeit, mit einem Sieg näher an Rapid ranzukommen. Das ist auch unser Wunsch und unsere Absicht. Wir werden daher alles daran setzen, um diese Chance zu nützen.

LAOLA1: Rechnen Sie mit oder ohne den angeschlagenen Steffen Hofmann?

Vastic: Rapid ist nicht nur auf Hofmann angewiesen. Klar, wenn er spielt, sind gewisse Automatismen vorhanden. Andererseits wollen sich die Spieler, die statt Hofmann zum Zug kommen, beweisen und dem Trainer zeigen, dass es sie auch gibt.

LAOLA1: Roland Linz gilt als Derby-Experte. Wie nervig sind für Sie die ständigen Fragen nach seiner Person?

Vastic: Diese Fragen kommen eben. Roland hat sich gut gefangen und seine Rolle als Joker zuletzt sensationell ausgeübt. Es hat nie ein zwischenmenschliches Problem gegeben. Roli ist einer unserer erfahrensten Spieler. Daher sollte er als gutes Beispiel auch im Training seine Leistungen bringen. Er hat sich in dieser Hinsicht auch wirklich verbessert. Deswegen hat er seine Chancen bekommen. Er hat bei seinen drei Einsätzen immer gute Leistungen geboten.

LAOLA1: Hat Trainer Vastic schon eine Wunschliste von Neuverpflichtungen für die kommende Saison deponiert?

Vastic: Es hat bereits Gespräche mit AG-Vorstand Thomas Parits gegeben. Wir machen uns natürlich Gedanken, wie es nach Meisterschaftsende weitergeht. Ich habe auch schon einige Spieler im Kopf. Es ist aber noch genug Zeit, um diese Leute zu beobachten und zu gegebener Zeit eine Entscheidung zu treffen.

Das Gespräch führte Martin Wechtl