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"Als würdest du um den Abstieg spielen"

LAOLA1: Wo muss er im Austria-Spiel die Hebel ansetzen?

Prohaska: Ich werde ihm auf keinen Fall Ratschläge geben. Mich stört Folgendes, wenn ich das mit Salzburg vergleiche. Dort spielen immer vier Offensivspieler – Alan hat 18 Tore, Soriano 17, Mane elf und Kampl acht. Dann sehe ich mir die Austria an – dort hat Hosiner neun Tore, und dann fällt mir schon keiner mehr ein. Ich würde gegen Wiener Neustadt mit Hosiner und Kamara vorne und dahinter Kienast spielen. Dann bleiben eh noch drei Mittelfeldspieler, die sowieso keine Tore schießen, aber auch kicken können. Ich würde mich ein 4-3-3 spielen trauen. Vielleicht nicht gegen Salzburg und Rapid, aber sonst gegen alle. Dann sagt dir aber jeder: „Da kann ich dann nicht mehr reagieren, kann keinen mehr bringen.“ Reagieren kann ich immer!

LAOLA1: Gager gilt als großer Fan des FC Barcelona, der auch offensiv spielt…

Prohaska: Ja, aber man darf nicht den Fehler machen, dass man sagt: „Ich bin Fan von Barcelona und morgen spielen wir wie Barcelona.“ Das wird nicht gehen. Allerdings hat die Austria in dieser Saison anders gespielt als unter Stöger. Unter Stöger war Ballbesitz sehr wichtig. Unter Bjelica war es eine Art modernes Umschaltspiel – also zwei, drei Ballkontakte und dann kommt der lange Ball. Wenn Hosiner den langen Ball aber nur hin und wieder erwischt, ist das nicht so gut. Ich kann die Bälle nicht immer nur nach vorne spielen, weil Hosiner schnell ist und dabei vergessen, dass es auch schnelle Verteidiger gibt.

LAOLA1: Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel: Nützt Gager seine Chance und bleibt über den Sommer hinaus Trainer?

Prohaska: Ich würde es ihm wünschen. Ich hätte auch Bjelica gewünscht, dass er seine Ziele erreicht. Ich bin viel zu sehr Austrianer, dass ich das irgendwem nicht vergönnen würde. Gager ist schon lange bei der Austria und hat immer gesagt, dass es sein Ziel ist, die Profis zu trainieren. Jetzt hat er die Chance und es kommt darauf an. Die Mannschaft ist in keiner guten Verfassung. Manchmal gibt es einen Trainereffekt, manchmal nicht. Ich glaube, dass er meistens einsetzt. Es wird darauf ankommen, wie schnell er den richtigen Umgang mit der Mannschaft findet. Heutzutage ist es viel, viel wichtiger, wie man mit der Mannschaft kommuniziert als früher. Der Peitschenknaller hat fast keine Chance mehr. Man muss das Mittelding aus streng und Freund finden und in der Mitte den Respekt, die Akzeptanz der Spieler haben. Ernst Happel würde sich heute überhaupt nicht mehr wohl fühlen. Kein Verein wird sich mehr einen Weltklassetrainer leisten können, der einen Spieler auf die Tribüne setzt, nur weil der schief schaut. Das Verhältnis zu den Spielern muss gut sein, ohne der Untergebene der Spieler zu sein. Wer das nicht schafft, wird keine Resultate haben.

Das Gespräch führte Harald Prantl

Geht es der Austria schlecht, geht es Herbert Prohaska schlecht.

„Kurzfristig war ich sehr, sehr böse“, sagt der 58-Jährige, wenn er sich an den 1:1-Ausgleich des SC Wiener Neustadt bei den Veilchen erinnert.

Wenn es um den Grund für Nenad Bjelicas Scheitern bei den Veilchen geht, sagt der Wiener: „Es kann nur im zwischenmenschlichen Bereich, im Umgang mit den Spielern, in seiner Art gelegen sein.“

Im LAOLA1-Interview spricht der Jahrhundert-Austrianer über Herbert Gagers Chance, erklärt, warum er mit dem FAK ein 4-3-3 spielen würde und sich Ernst Happel heutzutage nicht mehr wohlfühlen würde.

LAOLA1: Wie haben Sie als Jahrhundert-Austrianer das vergangene Wochenende erlebt?

Herbert Prohaska: Bis zu Mittag war ich der Überzeugung, dass ich ins Stadion fahre. Dann sind wir mit der Familie aber etwas länger sitzen geblieben und ich habe beschlossen, noch Olympia und mir dann die Austria im Fernsehen anzusehen. Mir hat das Spiel nicht sehr gut gefallen, aber sie haben 1:0 geführt. Nach dem Ausgleich in der 93. Minute war ich kurzfristig sehr, sehr böse. Ich habe damit gerechnet, dass es Probleme gibt und dass das dem Trainer unter Umständen den Job kosten kann. So ist es dann ja auch gekommen.

LAOLA1: Können Sie das nachvollziehen?

Prohaska: Ja. Aber nicht im Sinn, dass es passieren muss. Es war eine logische Folge. Nehmen wir das Beispiel Adi Hütter – der macht in Grödig eine super Arbeit. Genauso hat Bjelica in Wolfsberg super gearbeitet – er ist aufgestiegen und hat die EL-Quali erst am letzten Spieltag verpasst. Die Regel besagt aber, dass es mit Austria und Rapid zwei spezielle Vereine gibt. Wenn du mit dem WAC Vierter bist, ist das eine super Sache, wenn du mit der Austria aber nur Fünfter bist, ist das eine Katastrophe. Außerdem kennt man ja die Statistiken – ich war mit fast drei Jahren im Amt Rekordtrainer der Austria, Karl Daxbacher hat mich dann, glaube ich, irgendwann überholt. Das sagt viel aus, es wurden schon Trainer als Meister entlassen. In Folge dessen ist es keine Überraschung, wenn man als Fünfter nach einer Derby-Niederlage und einem 1:1 gegen Wr. Neustadt gehen muss. Es erwischt halt immer den Trainer. Die Spieler sagen wieder sehr schön: „Wir stehen in der Schuld, wir werden Gas geben.“ Aber so einfach kann man den Schalter nicht umlegen. Die Spieler stehen immer in der Pflicht.

LAOLA1: Wäre es vernünftiger gewesen, sich schon im Winter von Bjelica zu trennen, damit der neue Trainer die Vorbereitung machen kann?

Prohaska: Ich glaube nicht, dass es an der Vorbereitung liegt. Eine Vorbereitung reicht nicht aus, ein neuer Trainer hat neue Ideen und kennt die Spieler nicht charakterlich. Das ist eine ganz, ganz wichtige Sache! Du musst wissen, ob es besser ist, den Spieler unter vier Augen oder vor allen zu schimpfen. Manchen hilft das mehr, anderen das. Mit dem Lob verhält es sich genauso. Es war schwierig, immerhin hat Bjelica der Austria mit der Champions League für österreichische Verhältnisse viel Geld beschert. Im Winter gab es gar keinen Grund, sich von ihm zu trennen. Wenn du dann aber ein Derby verlierst, ist bei der Austria immer Feuer am Dach. Und den Muss-Sieg gegen Wr. Neustadt hat er auch nicht geschafft.

LAOLA1: War das Bjelicas Hauptproblem? Dass er nicht gewusst hat, wie er mit den einzelnen Charakteren umgehen muss?

Prohaska: Ich bin der Überzeugung, dass er ein guter Trainer ist. Es kann nur im zwischenmenschlichen Bereich, im Umgang mit den Spielern, in seiner Art gelegen sein. Die Mannschaft hat sich im Wesentlichen ja nicht verändert. Zuerst war da Peter Stöger, der ein ganz anderer Typ und erfolgreich war. Dann ist ein Neuer gekommen, der es nach einem ziemlich überraschenden Meistertitel schwer gehabt hat. Die Spieler und der Trainer haben wahrscheinlich nicht zusammengepasst. Aber auch die Spieler müssen sich an der eigenen Nase nehmen. Die Austria hat nur vier von zwölf Heimspielen gewonnen. Das ist ein Wahnsinn! Das ist, als würdest du um den Abstieg spielen. Ich will nicht von der glorreichen Vergangenheit reden, wir waren in der 16er-Liga Zehnter, als ich zur Austria gekommen bin, also viel schlechter. Aber selbst da haben wir daheim mehr gewonnen, auswärts halt nicht, weil wir schlecht waren. Wenn du als regierender Meister aber nur vier Heimspiele gewinnst, braucht mir keiner erzählen, dass er mit dem Trainer nicht ausgekommen ist.

LAOLA1: Ist Herbert Gager die richtige Wahl?

Prohaska: Zum aktuellen Zeitpunkt, ja. Es werden sich sicher viele Trainer gemeldet haben, aber schnell einen Neuen nehmen, kann nach hinten losgehen. Gager kennt die Spieler, das Umfeld und den Verein. Er ist bis Sommer die richtige Wahl. Es ist eine Riesenchance für ihn. Wenn er von den 13 restlichen Spielen zehn, elf gewinnt, braucht die Austria keinen neuen Trainer suchen. Zu verlieren hat er nichts mehr, schlechter als Platz fünf kann es nicht mehr werden.