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"Wenn Kuen dribbelt, sehe ich Patrik Jezek vor mir"

Die Vogelperspektive von der Tribüne aus mag den Vorteil haben, dass man das Geschehen besser sieht. Gewöhnen wird sich Roland Kirchler aber gewiss nicht daran.

Zu sehr vermisst der nach seinem Ausraster beim Saison-Finale gegen Wolfsberg mit einer Funktionssperre belegte Wacker-Trainer das Coachen.

„Man ist noch weiter weg, kann nicht hineinrufen oder den Spieler, der bei dir auf der Linie spielt, informieren. Aber ich habe volles Vertrauen in meinen Co-Trainer Florian Klausner“, erklärt der 42-Jährige im Gespräch mit LAOLA1.

Was Kirchler vergangenen Sonntag beim 2:2 gegen Sturm Graz von seinem VIP-Platz aus sah, hätte ihm auch vom Blickwinkel der Coaching-Zone gefallen. Wacker Innsbruck hätte sich durchaus den Sieg verdient gehabt.

„Die Breite im Kader ist besser geworden“

Dem früheren Teamspieler gefiel, dass sich seine Mannschaft trotz Rückstands nicht aufgegeben hat. Dass das geplante Pressing nicht so oft wie geplant zu erkennen war, verzieh er seinen Schützlingen ob der hohen Temperaturen.

Die vielleicht positivste Erkenntnis war jedoch eine andere. „Die Spieler, die reingekommen sind, haben funktioniert, was für einen Trainer immer ganz gut ist. Etwa ein Stjepan Vuleta oder Andreas Kuen, der mit 18 Jahren sofort Miroslav Milosevic ersetzen kann. Die Breite im Kader ist besser geworden. Wir können von der Bank reagieren. Ich mache mir also keine Sorgen für die restlichen 35 Runden.“

Dass der FC Wacker nach der letztjährigen Zitter-Saison in dieser Spielzeit eine bessere Rolle spielen könnte, deutete sich zuletzt schon an. Diese Vorschusslorbeeren beim Auftakt zu rechtfertigen, ist jedoch eine andere Sache.

„Können uns im Mittelfeld der Liga festigen“

Entsprechend spürbar war die Erleichterung ins Innsbruck die gute Performance betreffend. „Wenn wir solche Leistungen immer wieder bringen, können wir uns wirklich im Mittelfeld der Liga festigen oder vielleicht sogar ein bisschen weiter oben“, glaubt Kirchler, der jedoch erst nach dem ersten Meisterschafts-Viertel ein erstes Resümee ziehen möchte.

Auch wenn es am Ende fast schief ging, hat sich der Aufwärtstrend schon im letzten Viertel der vergangenen Saison angedeutet. Kirchler forcierte nach der 3:4-Pleite bei der Admira zunehmend jüngere Spieler, die auch für 2013/14 unter Vertrag standen.

Letztendlich ein Glücksgriff – nicht nur wegen des Klassenerhalts, sondern auch im Hinblick auf die aktuelle Saison: „Das hat eine Eigendynamik genommen. Szabolcs Safar und Roman Wallner zu dieser jungen Garde dazu hat eine ganz gute Mischung ergeben. Nach dem Klassenerhalt hatten wir dadurch schon eine Basis. Für mich war es natürlich besser, dass ich schon sieben, acht Spiele vorher diese Mannschaft gefunden habe, als sie im Sommer neu zusammenzustellen. Wir mussten nur noch drei, vier Spieler dazu holen, die genau hineinpassen.“

„Mit seinem linken Fuß erinnert er mich ein bisschen an Patrik Jezek“

Mit Milosevic fällt nun einer dieser Neuzugänge wegen eines Innenbandrisses wochenlang aus. Nachrücker Kuen lieferte gegen Sturm in der zweiten Hälfte eine echte Talentprobe ab.

Als Talent gilt der Mittelfeldspieler schon länger. „Walter Kogler hat Andi schon vor zwei Jahren mit in den Profikader genommen. Er war am Anfang ein ‚Henderl‘, also körperlich nicht bundesligatauglich. Wir haben jetzt zwei Jahre mit ihm trainiert. Ich sehe ein irrsinniges Potenzial in dem Burschen“, berichtet Kirchler.

In der Sommervorbereitung habe der 18-Jährige noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht, sei für ihn inzwischen unter den besten 13, 14 Spielern der Mannschaft angelangt. Bei Spielern dieses Alters seien Schwankungen noch normal, Kuen sei jedoch „ein netter Bursch, gar nicht überheblich, der kann das richtig einordnen.“

Also kann der Youngster vermutlich auch folgenden Vergleich seines Coaches richtig einordnen: „Gegen Sturm hat er das Spiel an sich gerissen, vor allem im Offensivspiel hat er eine super Dynamik. Mit seinem linken Fuß erinnert er mich ein bisschen an Patrik Jezek. Wenn er diese Eins-gegen-Eins-Bewegungen macht und ins Dribbling geht, sehe ich ganz oft Patrik vor mir.“

Wallner wie die Bayern

Nur mit jungen Wilden geht es logischerweise nicht, umso wichtiger sind Führungsspieler wie Safar und Wallner. Letzterer schloss gegen die Grazer nicht nur seinen Freistoß-Hammer erfolgreich ab, sondern bereitete auch Vuletas Treffer vor. Mit sieben eigenen und vier aufgelegten Torschüssen kam der Steirer auf gute Werte.

„Das Tor war typisch Roman“, grinst Kirchler und erzählt, dass ihm die kritischen Stimmen über Wallner durchaus bewusst seien.

„Die, die Roman Wallner lieben, lieben ihn. Die, die ihn nicht mögen, werden ihn nie mögen – es ist so ähnlich wie bei Bayern München. Ich weiß, was ich an Roman habe. Er ist ein irrsinnig kollegialer Typ. Er braucht zwar seine Auszeiten, ist sein eigener Vogel, aber das ist nun einmal so. Das ist mir oft lieber, als er wäre so aalglatt wie andere Spieler und lässt keinen an sich ran. Der Roman ist der Roman, er polarisiert eben. Bei uns ist er sehr beliebt“, schwärmt Kirchler.

Schlangen an den Kassen

Zunehmend beliebter wird auch die Mannschaft in Tirols Landeshauptstadt. Allzu eng war in der jüngeren Vergangenheit die Bindung zu den Fans nicht. Diese scheint im Wachsen. Gegen Sturm gab es noch kurz vor Spielbeginn Schlangen an den Stadionkassen, letztlich fanden 7324 Zuschauer den Weg ins Tivoli.

„Die Kassen waren alle besetzt, aber ich glaube, die Leute waren nicht darauf vorbereitet, dass noch so viele vor dem Spiel kommen. Mir tut es leid, denn mir wurde erzählt, dass viele wieder umgedreht haben, weil sie nicht bei 30 Grad Schlange stehen wollten. Aber da kann der Verein gar nichts dafür. Vielleicht in Zukunft die Karte im Vorverkauf kaufen oder früher kommen. Das ist für uns etwas Neues in Innsbruck.“

1000 bis 2000 Zuschauer mehr wünscht sich der Wacker-Coach, wenn seine Truppe das Leistungs-Level des Sturm-Spiels halten kann. Nicht ausgeschlossen, dass der geschaffte Klassenerhalt und die hoffnungsvolle, junge Mannschaft doch so etwas wie eine Mini-Euphorie in Innsbruck ausgelöst haben.

„Dann wäre ich ähnlich gestartet wie Schopp oder Vastic“

Kirchlers Trainer-Karriere hat gerade dieses „Wunder von Wolfsberg“ maßgeblich mitbeeinflusst. Deswegen nimmt er einen späten Ausgleich oder einen temporären Platz auf der Tribüne derzeit auch demütig hin.

„Oft ist es knapp. Wäre es schiefgegangen, wäre der Trainer Roland Kirchler als junger Trainer so ähnlich gestartet wie Markus Schopp oder Ivica Vastic – das kann einer Laufbahn einen Knacks geben. Da hat der liebe Gott auf mich heruntergeschaut.“

Peter Altmann