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"Mit denen geht es keinen Millimeter weiter"

Enttäuschung. Ernüchterung. Trostlosigkeit.

Ende gut, alles gut? Weit gefehlt! Dass Sturm Graz gerade das große Saisonziel, nämlich die Teilnahme an der Qualifikation für die Europa League, erreicht hat, merkte man keinem im schwarz-weißen Lager an.

„Dafür, dass wir es so erreicht haben, möchte ich keinen feiern sehen“, ärgerte sich General Manager Gerhard Goldbrich nach dem peinlichen 0:3 gegen den SC Wiener Neustadt.

Die Steirer standen mit einer zusammengewürfelten Notelf gegen den Abstiegskandidaten auf komplett verlorenem Posten.

„Viel zu wenig“

Nach einem Horror-Frühjahr, in dem durchwegs schwache Leistungen dominierten und insgesamt nur drei Siege gelangen, musste sich Sturm beim Wolfsberger AC und der SV Ried bedanken, dass diesen in der Schlussphase der Saison ebenfalls die Luft ausging.

Fakt ist: Die Maßnahme, Markus Schopp in den finalen sechs Runden anstelle des ungeliebten Peter Hyballa mit dem Traineramt zu betrauen, brachte nicht die gewünschte Wirkung. Fünf dieser Spiele gingen verloren, die Leistungen bewegten sich teilweise auf ähnlich niedrigem Niveau oder wie beim 0:3 bei der Admira oder gegen Wiener Neustadt sogar noch darunter.

Mit lediglich 48 Punkten und einer Tordifferenz von minus 7 das Europacup-Ticket zu lösen, ist alles andere als ein Ruhmesblatt. Vielmehr ein Armutszeugnis.

„Für den Verein ist es eine schöne Geschichte, dass wir den vierten Platz haben, aber für mich ist das, was wir in den letzten Wochen gezeigt haben, einfach viel zu wenig“, versuchte Markus Schopp erst gar nicht, das Dargebotene zu beschönigen.

„Mit denen geht es keinen Millimeter weiter“

Vielmehr übte er durchaus auch Selbstkritik: „Die Wahrheit ist, dass wir es als Trainer-Team in den paar Wochen, die uns zur Verfügung standen, nicht geschafft haben, dieses Feuer zu entfachen, diese Begeisterung, dass sie vorne weggehen. Ich weiß, dass oft Kleinigkeiten genügen, damit so etwas passiert. Aber es genügen auch Kleinigkeiten, dass es noch weiter nach unten geht.“

So geschehen in den vergangenen Wochen. Bislang setzte Schopp auf die Strategie, auch in den bittersten Momenten noch Positives zu suchen und vermeintlich zu finden, um seine Mannschaft nicht weiter zu verunsichern. Vergebens. Nach der Wiener-Neustadt-Pleite entschied sich der 39-Jährige dafür, Klartext zu sprechen und einige seiner Spieler ins Gebet zu nehmen:

„Diese paar Wochen waren extrem wichtig und lehrreich, weil man wirklich die Charaktere erkennen kann, die nicht nur sagen, dass sie bereit sind, über einen Punkt zu gehen, sondern wirklich über diesen Punkt gehen. Die haben wir! Es sind aber auch ein paar dabei, die großartig nach außen sagen, sie tun eh alles, aber in Wirklichkeit ist nichts dahinter. Da muss man ganz einfach Klartext reden, denn mit denen geht es keinen Millimeter weiter.“

Als Amateure-Trainer habe er zwar vieles beobachten können, „aber wenn du mitten drinnen bist, ist es etwas ganz anderes. Du spürst die Spannungen, du spürst die Verunsicherung, du bist ganz anders am Geschehen dran.“

„Größerer Umbruch“ von Nöten

Die „Kopfarbeit“ sei in den vergangenen sechs Wochen zur Causa prima geworden: „Ich habe am Anfang gesagt, das wird nicht das Hauptthema sein, aber es ist ganz einfach das Hauptthema geworden.“

Mit Fortdauer der Saison baute die Sturm-Elf zunehmend ab. Das Wiener-Neustadt-Spiel, in dem mit Reinhold Ranftl sowie den Debütanten Zeljko Balen, Ervin Bevab und Anel Kocijan am Ende vier Amateure auf dem Platz standen, war der absolute Tiefpunkt. Die Youngsters hätten laut Schopp ihre Aufgabe jedoch erfüllt. Das Versagen war wieder einmal an den routinierteren Kräften festzumachen.

Auf den Tag genau zwei Jahre vor diesem unrühmlichen Saison-Abschluss versammelte sich die Sturm-Familie am 26. Mai 2011 auf dem Grazer Hauptplatz, um den dritten Meistertitel der Vereins-Geschichte zu feiern. Seither ging es beim Traditionsklub sportlich kontinuierlich bergab, vom Personal-Chaos in den Führungsgremien ganz zu schweigen.

Schopp ist trotz der miesen Bilanz als Interims-Trainer ein Kandidat. Bei Sturm möchte man seine Fähigkeiten als Coach nicht alleine aufgrund dieser gescheiterten Mission als Feuerwehrmann beurteilen. Gleichzeitig unterhält man sich jedoch auch mit anderen Kandidaten.

Auch, weil Schopp selbst noch Ja sagen müsste, und dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Denn unter den derzeitigen Bedingungen erscheint für ihn dieser Job nur wenig erstrebenswert.

„Ich müsste lügen, wenn ich sage, es wäre nicht mein Ziel, weiterhin die Bundesliga-Mannschaft zu trainieren. Aber, und das sage ich auch ganz klar, dann müssen wir alle in die gleiche Richtung schauen. Das heißt, Entscheidungen zu treffen, wer in dieser Mannschaft wirklich bereit ist, den nächsten Schritt zu machen. Es ist legitim, dass man sich als Trainer Gedanken macht, wie ein Plan über einen längeren Zeitraum ausschauen kann. Da gibt es einfach ganz konkrete Dinge, die innerhalb der Mannschaft passieren müssen. Sollte ich das Gefühl haben, dass der Verein eins zu eins hinter diesen Ideen steht, dann kann ich mir das durchaus vorstellen. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es für mich absolut kein Thema.“

Schopp kündigt an, „im Innenverhältnis mit den Verantwortlichen Klartext zu sprechen“, was die Problemspieler des Kaders betrifft. Über die Ergebnisse dieser Unterredungen wird die Öffentlichkeit wohl nur spärlich informiert. Denn in den kommenden zwei Wochen soll von Vereinsseite weitestgehend Schweigen herrschen.

Eine goldige Idee. Denn nach dieser Saison ist reden ohnehin nur Silber…


Peter Altmann

Damit es wieder bergauf geht, muss laut Schopp ein „größerer Umbruch“ her. „Ich habe ganz einfach viel zu wenige gesehen, die dorthin gehen, wo es weh tut. Es gibt nicht immer nur Sonnenschein. Auch Phasen wie diese gehören zum Fußball, und man kann mir glauben, da siehst du am meisten vom Charakter eines Spielers.“

Viele personelle Fragezeichen

Dass der Kader, soweit es die laufenden Verträge zulassen, kommende Saison ein anderes Gesicht haben wird, steht außer Frage. Mit Anel Hadzic und Daniel Offenbacher stehen zwei Neuzugänge fest.

Haris Bukva wird den Verein verlassen. Richard Sukuta-Pasu kehrt wohl zu Kaiserslautern zurück („Ich fahre jetzt nach Hause und werde mich mit meinem Berater besprechen“).

Bezüglich einiger Spieler mit auslaufenden Verträgen herrscht noch Unklarheit. Bei Matthias Koch, Serkan Ciftci oder Ferdinand Feldhofer stehen die Zeichen jedoch eher auf Abschied, hinter Rubin Okotie steht ebenso ein großes Fragezeichen. Jürgen Säumel müsste ob seiner Verletzungsanfälligkeit wohl leistungsbezogenen Konditionen zustimmen.

Schopp stellt Bedingungen

Goldbrich stellt jedoch auch Akteuren mit laufenden Verträgen die Rute ins Fenster. Zudem gilt es noch die womöglich wichtigste Personalentscheidung zu treffen, und zwar jene, wer 2013/14 Sturm-Trainer sein soll.