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"Die Wunden kannst du nur mit Ergebnissen heilen"

Dass Sturms viel zitierter „guter Weg“ noch ein weiter ist, sollte nach den ersten vier Meisterschaftsrunden klar sein.

Das offenbarte auch das Gastspiel bei Rapid. Spielerisch war das Dargebotene über weite Strecken wieder einmal wenig bis gar nichts.

Am Ende stand man nach dem glücklichen 1:1 dennoch mit einem gefühlten Erfolgserlebnis  da, weil man Qualitäten an den Tag legte, die dieser Mannschaft bisweilen abgesprochen wurden: Zusammenhalt, Einsatzwille, Kampf bis zum Umfallen.

„Ein erkämpfter Punkt, kein erspielter – Schönheitspreis kriegen wir keinen“, verdeutlicht Michael Madl, „aber das ist uns egal. Wir fahren mit einem Punkt heim. Das ist in Ordnung.“ Mit einem Mann weniger habe man laut Kapitän „überragende Moral“ bewiesen und sei dafür belohnt worden.

„Sehr oft mit dem letzten Sturm-Jahr konfrontiert“

Möglicherweise ein kleiner Schritt, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Denn neben den in der Meisterschaft zu vergebenden Punkten kämpft die junge Sturm-Mannschaft in der Saison 2014/15 auch darum.

Ein leidiges Thema auf einem virtuellen Spielfeld, dieser angepeilte Turnaround bezüglich Stimmung – oder Drücken des Reset-Knopfs, wie es in Graz gerne hieß. Dass es in der steirischen Landeshauptstadt immer noch präsent ist, unterstrich die angespannte Atmosphäre nach den beiden Auftakt-Niederlagen in Altach und Grödig.

Sich gegen Wiener Neustadt und Rapid nach Rückständen zurückzukämpfen, war so gesehen umso hilfreicher beim Versuch, die letzten beiden verkorksten Spielzeiten aus dem Gedächtnis zu streichen und gleichzeitig das in Scharen davongelaufene Publikum zurückzugewinnen.

„Seit ich zurück bin, werde ich leider sehr oft mit dem letzten Sturm-Jahr konfrontiert, das ist etwas Negatives. Durch solche Spiele wie gegen Rapid, die Leidenschaft und den Biss, den wir gezeigt haben, sollten die Zuschauer wieder ins Stadion kommen. Spielerisch hat es nicht so hingehaut, aber diesen Kampf wollen die Leute sehen“, betont Marko Stankovic.

"Hatte noch nie so eine Gaudi in der Kabine"

Mit 28 ist der Rückkehrer von der Austria inzwischen einer der Routiniers in der Mannschaft. Für ihn ist klar, dass es genau einen guten Weg gibt, um die Vergangenheitsbewältigung erfolgreich zu gestalten – und zwar mit Taten anstelle von Worten:

„Alle Wunden, die letztes Jahr da waren, kannst du nur mit Ergebnissen und Punkten heilen. Wenn wir an unsere Leistungen anschließen, schauen wir einer guten Zukunft entgegen.“

Am Teamgeist innerhalb des Kaders würde es jedenfalls nicht scheitern: „Ich war ein bisschen schockiert, als ich mitbekommen habe, wie über die Mannschaft geschrieben wurde: Sie sei in der Kabine nicht intakt, es würde Probleme geben. Also ich muss sagen, ich hatte noch nie so eine Gaudi in einer Kabine wie hier. Das geht in einer Mannschaft, die nicht intakt ist, nicht.“

Die angeblichen Einflüsse von außen

Am Unternehmen, diesen Spirit nach außen zu transportieren, scheiterte Sturm in der jüngeren Vergangenheit. Aufgrund zahlreicher Frusterlebnisse auf dem Platz möglicherweise auch verständlich.

Zuletzt häuften sich indessen die Klagerufe, dass Einflüsse von außen das Klima beeinträchtigen würden. Madl beschwerte sich in der „Kleinen Zeitung“, dass bei Sturm zu viele Leute mitreden würden, die keine Ahnung haben.

Der zu Rapid abgewanderte Florian Kainz monierte im „Kurier“: „In Graz herrscht immer Unruhe. Die kommt von außen in den Klub – und damit meine ich nicht die Fans an sich. Da geht es um Internetportale oder Fan-Foren. Wenn es kurz nicht läuft, wird alles gleich aufgebauscht.“

Ein offenes Geheimnis, dass es sich bei diesen Wehklagen beispielsweise um die Tätigkeit des Portals „Sturm12“, das sich journalistisch und nicht in Haus- und Hofberichterstattung treu ergeben mit seinem Lieblingsverein auseinandersetzt, dreht.

„Als Profi musst du da drüberstehen“

Die Frage, die man sich vereinsintern stellen sollte, lautet wohl auch, ob man sich überhaupt „von außen“ aus der Ruhe bringen lassen und bisweilen einen beleidigten Eindruck hinterlassen muss.

Milanic wies bereits vor zwei Wochen darauf hin, dass seine Mannschaft Stresssituationen benötige, um mutiger zu werden. Einerseits ist es eine Qualität, mit dem Rücken zur Wand Moral zu beweisen, andererseits wäre es der Wunschzustand, von Beginn an so aufzutreten – und wenn dies wie in Grödig gelingt, auch die Ernte einzufahren.

Djuricins Scorer-Qualitäten als Pluspunkt

Ein Pluspunkt der noch jungen Saison ist indes Marco Djuricin, der im Happel-Stadion sein drittes Saison-Tor erzielte und nahtlos an seine Scorer-Qualitäten aus dem Frühjahr anzuknüpfen scheint.

„Stürmer müssen ja Tore machen. Ich bekomme viel Vertrauen vom Trainer und der Mannschaft“, meint der 21-Jährige und führt an, dass seine überwundenen Verletzungsprobleme zu seinem Lauf beitragen würden.

Dies sieht auch Milanic so: „Er hatte in der Vorsaison mit seiner Verletzung riesiges Pech, hat vorher schon in Deutschland wenig gespielt. Das bedeutet, er hat nicht zwei, drei Saisonen durchgespielt, immer wieder war irgendetwas. Jetzt ist er fit. Wenn er fit ist, trifft er.“

Am kommenden Wochenende gastiert mit Austria Wien ein Verein in Graz, in dem Ruhe nach dem wenig zufriedenstellenden Saison-Start ein Fremdwort ist. Für Sturm die Chance, die nächsten Meter auf dem viel zitierten „guten Weg“ zurückzulegen.


Peter Altmann

„Als Profi musst du da drüberstehen, da brauchen wir nicht zu diskutieren“, erklärt Stankovic und wiederholt, dass man den Schlüssel zur Lösung des Problems selbst in der Hand habe:

„Alles, was im Fußball passiert – positiv wie negativ, hängt davon ab, was du 90 Minuten am Platz ablieferst. Wenn das passt, kann von außen jeder sagen, was er will, das wird keiner wahrnehmen. Nur wenn du schlechte Ergebnisse lieferst, kommen Leute, die sich freuen, dass sie etwas schreiben können.“

Eine echte Aufbruchstimmung kann nur durch Konstanz sowohl in Ergebnissen als auch in Leistungen erzeugt werden. Aus Wien fuhr man zwar mit einem guten Gefühl bezüglich Moral und Resultat nach Hause, aber auch im Wissen, dass man anders auftreten wollte. Vor allem zu Beginn der Partie.

„Bei Rapid kann ein 60-Jähriger Innenverteidiger spielen“

„Wir haben uns etwas anderes vorgenommen, aber es ist uns von Anfang an nicht gelungen, schnelle Pässe in die Tiefe zu spielen, wir hatten unnötige Ballverluste. Der Gegner musste überhaupt nicht richtig verteidigen“, kritisiert Trainer Darko Milanic.

„Wir sind selbst schuld. Wir hätten von Beginn an so aggressiv spielen müssen wie dann mit zehn Mann“, ärgert sich Stankovic, „aber so passiv wie wir am Anfang waren, kann bei Rapid ein 60-Jähriger Innenverteidiger spielen. Als wir zu zehnt waren, haben wir, wie vom Trainer gefordert, Eier bewiesen, aggressiv und mutig nach vorne gespielt. Der Ausschluss von Robert Beric hat uns natürlich in die Karten gespielt.“