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"Ich mag Trainer, die mal einen Spruch bringen"

Markus Schopp oder Peter Hyballa also.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand wird einem jungen Trainer die Verantwortung auferlegt, beim SK Sturm nach einer verkorksten Saison für frischen Wind zu sorgen und das Erbe von Meistertrainer Franco Foda anzutreten.

Schopp muss nicht extra vorgestellt werden, der 56-fache ÖFB-Teamspieler ist in und um Graz jedermann ein Begriff. Aber Hyballa?

Der Deutsche ist in der rot-weiß-roten Fußball-Öffentlichkeit weitgehend ein unbeschriebenes Blatt, was hierzulande vordergründig meist den Reflex der Skepsis auslöst.

Dabei lohnt sich ein Blick auf die Hintergründe des derzeitigen Coaches der Red Bull Juniors, bei denen er seit Jahresanfang erste Österreich-Erfahrung sammelt.

Jung an Jahren, reich an Trainererfahrung

Während Schopp als Integrationsfigur tendenziell einen größeren Vertrauensvorschuss der Anhängerschaft bekommen würde, verfügt Hyballa definitiv über die größere Trainererfahrung als sein 38-jähriger Konkurrent, der aktuell Sturms Amateure betreut.

Mit 36 jung an Lebensjahren, ist der Deutsche reich an Routine als Coach – vorwiegend im Jugendbereich. Nachdem seine aktive Karriere wegen einer Verletzung früh endete, stand er schon mit 20 Jahren an der Linie und arbeitete sich sukzessive nach oben.

Lehrjahren in diversen Jugendabteilungen (Bocholt, Preußen Münster, Arminia Bielefeld) folgte 2002 ein Abstecher in den Erwachsenen-Fußball, und zwar bei einer durchaus exotischen Fußball-Adresse: In Namibia bei den Ramblers Windhoek.

Nach der Rückkehr in die Heimat arbeitete er erst beim VfL Wolfsburg, dann bei der U19 von Borussia Dortmund, wo Supertalent Mario Götze durch seine Hände ging. 2009 führte Hyballa seine Youngsters ins Finale um die deutsche A-Jugend-Meisterschaft, das gegen Mainz unter Anleitung eines gewissen Thomas Tuchel verloren ging.

Entlassung in Aachen

Hyballas Verhältnis zu diesem Aushängeschild der neuen deutschen Trainer-Generation gilt seither als angespannt.

Dies wäre dem Mittdreißiger nicht nur wegen seines extrovertierten Charakters zuzutrauen. So sehr er mit seinem Auftreten polarisiert, so unumstritten ist in der Fußball-Szene sein fachliches Wissen, das er übrigens schon in zwei Büchern weitergab. So widmete er sich zum Beispiel in „Mythos niederländischer Nachwuchsfußball“ den Hintergründen der Talenteförderung der „Oranjes“.

Bezüglich seiner Spielphilosophie legt Hyballa Wert auf schnelles Umschalten, fordert von seinen Schützlingen auch das nötige Risiko:

„Beim Umschalten muss man in die Tiefe gucken, in die Tiefe laufen und in die Tiefe spielen. Um das umzusetzen, muss man aber auch Bock haben und den Mut, einen Fehlpass zu riskieren. (…) Die Jungs haben Angst davor, Fehler zu machen. Das ist, wie wenn ich sage: Denk auf keinen Fall an einen Elefanten mit blauen Punkten! Woran denkst du? Klar, an den Elefanten mit blauen Punkten.“

Sturm als Plattform für Hyballa?

Mutig wäre es auch, wenn sich die Verantwortlichen des SK Sturm tatsächlich dazu durchringen sollten, Hyballa eine Chance zu geben. Unlogisch wäre eine solche Entscheidung jedoch nicht.

Während Tuchel in Mainz für Furore sorgte, versuchte Sturms Kandidat beim Zweitligisten Aachen im Profigewerbe Fuß zu fassen – mit durchschnittlichem Erfolg.

Die Saison 2010/11 beendete die Alemannia auf Rang zehn. Ins Auge sticht dabei das Torverhältnis von 58:60 – den drittmeisten erzielten Treffern der Liga standen die fünftmeisten Gegentore gegenüber. Eine spektakuläre Herangehensweise, die nicht in die neue Saison herübergerettet werden konnte.

Nach einem kapitalen Fehlstart wurde Hyballa im September 2011 entlassen. Seine Nachfolger Friedhelm Funkel und Ralf Außem konnten das Ruder nicht mehr herumreißen und Aachen musste am Ende dieser Saison den bitteren Gang in die Drittklassigkeit antreten. Hyballa wiederum widmete sich seiner neuen Aufgabe mit Salzburgs hoffnungsvollsten Talenten.

Sprücheklopfer und Selbstdarsteller?

Dass erfolgreiche Ex-Kicker nicht automatisch gute Trainer sind, belegen genügend Beispiele. Die fehlenden Erfolge als aktiver Profi in seiner Vita sollten Hyballa bezüglich seiner Kandidatur in Graz aber ohnehin nicht zum Nachteil gereichen.

Mit Geschäftsführer Sport Paul Gludovatz sitzt bei Sturm ein Fachmann, der seine Trainerkarriere ebenfalls nicht auf Heldentaten als Spieler aufbauen konnte, am Steuer des Vereins.

„Ich musste mich für den nächsten Trainerschritt immer gegen die Türen werfen. Viele Ex-Profis bekommen gleich nach Karriereende die Tür aufgehalten: ‚Hier haste nen Trainer- oder Manager-Job, bitteschön.‘ Wenn ich leiser wäre, wäre ich wohl nicht mit 34 jüngster Profitrainer in Deutschland geworden“, erklärte Hyballa einst in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“.

Dabei spielt er auf den Umstand an, mancherorts durchaus als Sprücheklopfer und Selbstdarsteller abgestempelt zu werden.

„Das ist, wie wenn du mit 18 in die Disko gehst“

Eines ist gewiss: An mangelndem Selbstbewusstsein leidet Hyballa tendenziell nicht. Im Gegenteil. Den oftmals stromlinienförmig gewordenen Fußball-Sprech hat er nicht wirklich verinnerlicht. Wobei die Provokation bisweilen wie gesagt auch Mittel zum Zweck zu sein scheint.

„Ein Typ ist nicht, wer eine Tätowierung auf dem Rücken hat. Ein Typ ist, wer auch mal provoziert und sich anlegt. Ich mag Trainer, die mal einen Spruch bringen, im Wissen, dass dieser Spruch knüppelhart zurück ins Gesicht springen kann“, erklärte Hyballa vergangenen Sommer während des Negativlaufs in Aachen gegenüber „11 Freunde“, „mir fliegen jetzt auch alle Sprüche, die ich irgendwann mal rausgehauen habe, wie Schneebälle entgegen. Fußball ist eben auch Show.“

Das Gespräch mit den geschätzten Kollegen von „11 Freunde“ gewährt ohnehin Einblicke in die für gegenwärtige Gepflogenheiten unkonventionelle Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen – oder zumindest auf sein Krisenmanagement, als er versuchte, seiner Elf wieder jugendlichen Leichtsinn einzuimpfen, sprich mentale Blockaden zu lösen und Unbeschwertheit zu vermitteln:

„Das ist, wie wenn du mit 18 in die Disko gehst. Da haust du dir in‘ Schädel rein und denkst nicht: ‚Oh, das ist jetzt vielleicht gar nicht so gut für mich.‘ Später allerdings, mit 35 Jahren oder so, da machst du dir Gedanken. Wenn du da mit einem Kater aufwachst, machst du am nächsten Tag wahrscheinlich langsamer – verpasst so aber vielleicht auch eine geile Party. In diesem Denkprozess befinden wir uns gerade.“

Autor zweier Fußball-Bücher

Fällt Sturms Entscheidung auf Hyballa, wäre er mit seiner zugänglichen Art wohl so etwas wie die Antithese zu Vorgänger Foda. Ein Players Coach, dessen Aufgabe es wäre, die in der aktuellen Spielzeit angezogene Handbremse zu lösen, den „Blackies“ wieder mehr Spielfreude einzuimpfen.

Einerseits, weil bei den Grazern wieder verstärkt Talente gefördert werden sollen, also eine Kernkompetenz Hyballas. Andererseits, weil sich Sturm nicht nur für Spieler als Plattform sieht, sondern auch für hungrige Trainer, die sich in der steirischen Landeshauptstadt einen Namen machen wollen.

Zudem muss der neue „Head Coach“ wissenschaftlichen Methoden gegenüber aufgeschlossen sein, was für beide Kandidaten eine Selbstverständlichkeit ist. Das Duo könnte außerdem durchaus auch Hand in Hand an der schwarz-weißen Zukunft arbeiten, sollte die Entscheidung gegen Schopp fallen und dieser sich einen Verbleib als Amateure-Trainer vorstellen können.

„Jürgen Klopp kriege ich nicht“, meinte Gludovatz vor einigen Wochen. Wählt er Hyballa, bekommt er zumindest einen ähnlich extrovertierten Typen mit Hang zur Wissenschaft und flapsiger Ausdrucksweise.

Was freilich noch lange nicht ähnlich erfolgreiche Arbeit wie jene des Dortmunder Kult-Trainers garantiert. Aber eine spannende Ausgangsposition wäre es allemal.

Peter Altmann