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"Neue Wege bedeuten mutige Entscheidungen"

Eines muss man Christian Jauk lassen: Letztlich hat der Sturm-Präsident die knifflige Aufgabe, Franco Foda möglichst elegant los zu werden, den Umständen entsprechend gut gelöst. Auch weil der Deutsche professionell mitspielte.

Mit dieser Behauptung mag man sich auf das Gebiet der Unterstellung begeben, allzu weit hergeholt ist sie jedoch nicht.

Vereinfacht ausgedrückt hatte der bisherige Erfolgsgarant Foda kaum eine Chance, bei Sturm zu bleiben. Jauk ließ ihm nur die Option, sich via „englisches Modell“ für die Doppelfunktion als Geschäftsführer Sport und Trainer zu bewerben.

Dass diese Variante den Zuschlag erhalten würde, war angesichts der wochenlangen und intensiven Suche nach einem Geschäftsführer Sport und dem dringenden Wunsch nach einer Neustrukturierung samt frischem Personal, unwahrscheinlich.

Dieser neue Weg wird nun mit Paul Gludovatz und einem noch zu bestimmenden Trainer in Angriff genommen. Bei dieser Strategie passte der Meistermacher nicht mehr ins Bild. Die Konstellation, dass Foda „nur“ als Trainer tätig sein würde, wurde von vornherein ausgeschlossen.

Vor gut zwei Monaten an die Spitze des Grazer Traditionsvereins gewählt, schlägt Jauk bei der Neuausrichtung des Vereins, wie von ihm angekündigt, ein beachtliches Tempo an und scheut gemeinsam mit seiner Führungscrew auch vor unpopulären Maßnahmen nicht zurück.

LAOLA1 analysiert die Hintergründe der Herangehensweise von Jauk und lässt den Präsidenten im Interview zu Wort kommen:

DIE NEUE STRUKTUR: Nachdem es in den Jahren nach dem Konkurs 2006 trotz oftmaliger Ankündigungen versäumt wurde, den Verein modern aufzustellen, sah Jauk eine Umstrukturierung als Grundvoraussetzung für seine Rückkehr. Unter der Ägide des früheren Finanzvorstands wird der Profibereich nun in zwei Kapitalgesellschaften ausgegliedert – die Wirtschaftsbetriebe GmbH und die Sportbetriebe GmbH. Die Gründung wird am 16. April über die Bühne gehen, die endgültige Eingliederung des Profibetriebs ist aus rechtlichen Gründen erst nach dem Abschluss der Bilanz am 30. Juni möglich. Die Geschäftsführer beider GmbHs sind Gludovatz (Sport) und Christopher Houben (Wirtschaft). Jauk verfolgt damit das Ziel, das nebenberufliche und ehrenamtliche Funktionärswesen in den Hintergrund zu drängen.

DAS PERSONAL: Diesbezüglich scheut sich der 46-Jährige auch nicht, unkonventionelle Entscheidungen zu treffen. Mit Houben holte er einen Quereinsteiger aus der Telekommunikations-Branche, dessen Konnex zum Fußball und vor allem zu Sturm die Gründung der Internet-Plattform „Sturm12“ war. Dieser strotzt vor Tatendrang, wie er zuletzt im LAOLA1-Interview bewies, und ortet bei den „Blackies“ einen „gewissen Paradigmenwechsel weg vom klassischen Vereinsdenken“. Als Partner des 30-Jährigen wollte man eine routiniertere Kraft installieren, was mit Gludovatz nun geschehen ist. Für den 65-Jährigen ist der Job des sportlichen Leiters zwar eine Premiere, aber der Burgenländer ist bekannt dafür, strategisch und über den Tellerrand des Trainingsbetriebes hinaus zu denken. Dennoch: Wie dieses auf den ersten Blick ungleiche Duo harmoniert, wird den Erfolg von Jauks Strukturreform maßgeblich beinflussen.

Niedrig liegt die Latte für die Erben des scheidenden Cheftrainers aber naturgemäß nicht. Dieser darf nach aktuellem Stand noch die aktuelle Saison zu Ende machen, ehe eine neue Ära eingeleitet wird. Im Interview geht Jauk noch einmal gezielt auf die jüngsten Personalentscheidungen ein:

LAOLA1: Herr Jauk, man muss die Entscheidung gegen Franco Foda wahrscheinlich in eine emotionale und strukturelle Komponente trennen. Fangen wir mit der emotionalen an: Wie schwierig war es, Foda seinen Abschied mitzuteilen?

Christian Jauk: Das hat alle Beteiligten bewegt. Es war eine außerordentlich schwierige Entscheidung, weil sie letztlich nicht gegen Franco Foda getroffen wurde, sondern für eine Neustrukturierung des sportlichen Bereiches und dessen Nachhaltigkeit. Franco Foda hat sich immer professionell verhalten. Er ist der Einzige, der in der Sturm-Geschichte bei allen Meistertiteln dabei war. Obwohl ihn die Entscheidung, wie ich bemerkt habe, innerlich bewegt hat, hat er sie sehr professionell aufgenommen und dafür gebührt ihm großer Respekt.

LAOLA1: Kann man verdeutlichen, wo das Hindernis liegt, den neuen strukturellen Weg mit Foda zu gehen? Schleppt er zu viel Ballast mit?

Jauk: Nein, das lassen wir nicht gelten. Da gibt es nichts konkret Kritisches, sondern es war eine Strukturdiskussion. Wir haben auf der einen Seite das englische Modell diskutiert, also den sportlichen Geschäftsführer mit dem Cheftrainer zu kombinieren – da war Franco Foda unser Favorit. Wir wollten aber das kontinentaleuropäische Modell, wenn man das so nennen darf, wo es eine Trennung zwischen sportlichem Geschäftsführer und Cheftrainer gibt. Wir wollten diese Trennung des unmittelbaren operativen Tagesgeschäfts von langfristigen strategischen Entscheidungen. Das sind zwei unterschiedliche Themenstellungen, die wir auch mit zwei unterschiedlichen Personen besetzen wollten.

LAOLA1: Paul Gludovatz ist ein renommierter Trainer. Jetzt wechselt er hinter den Schreibtisch. Was hat letztlich den Ausschlag für ihn gegeben?

Jauk: Ich glaube, dass er nicht so oft hinter dem Schreibtisch anzufinden sein wird. Er wird sehr viel unterwegs sein. Wir wollen auf allen Ebenen das Schlagwort „Karriereplattform Sturm Graz“ stärken – das heißt, im Jugendbereich, in der Akademie, in der Amateurmannschaft etc. Er wird viele strategische Dinge zu klären haben. Das hat er übrigens auch in der Vergangenheit gemacht. Er war nicht nur Trainer, sondern hat gerade im Akademiebereich in Österreich sehr viele Strukturen geschaffen, kennt also das Metier auch von der anderen Seite ein bisschen. Er freut sich auf diese Aufgabe, und wir freuen uns auf ihn.

LAOLA1: Gludovatz war immer schon ein Querdenker. Inwiefern passt das zum neuen unkonventionellen Weg von Sturm?

Jauk: Wir sind mit meiner Person an der Spitze eines sehr guten Vorstands-Teams angetreten, um Entscheidungen zu treffen, die notwendig sind – und da gehen wir auch neue Wege. Neue Wege zu gehen, heißt natürlich auch mutige Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, wo man nicht weiß, ob das in ein, zwei Jahren auch die richtige war. Manche werden das vielleicht anders sehen, das gehört dazu. Wir wollen diesen Weg einschlagen. Wenn Sie sagen „quergedacht“, dann freuen wir uns durchaus, denn das ist auch der Ansatz dahinter.

LAOLA1: In der Öffentlichkeit wurden einige Kandidaten für den Posten des sportlichen Geschäftsführers gehandelt. Wie intensiv war der Entscheidungsprozess?

Jauk: Uns war wichtig, dass wir uns wirklich mit schriftlichen Konzepten auseinandersetzen. Das Konzeptionelle und Strukturelle stand massiv im Vordergrund. Danach haben wir gesagt, werden wir die Entscheidung über die passende Person treffen.

LAOLA1: Das heißt, Paul Gludovatz hat mit einem schriftlichen Konzept überzeugt?

Jauk: Er hat sich hingesetzt und ein schriftliches Konzept abgegeben. Sagen wir so: Er ist kein Powerpoint-Spezialist, aber das was am Papier stand, war schwer okay.

Peter Altmann

KARRIEREPLATTFORM: Jauks Lieblingsbegriff, wenn es um die Neuausrichtung Sturms geht. „Wie Harry Potter“ habe Franco Foda immer wieder junge Talente herausgezaubert, entfuhr des dem Präsidenten bei dessen Abschieds-Pressekonferenz. In Zukunft soll dies gezielter geschehen – wohl auch ein Argument, das für Gludovatz gesprochen hat, wenn man dessen Erfahrung bezüglich Arbeit mit jungen Spielern bedenkt. Die Karriere-Plattform-Strategie sei für den nachhaltigen sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg von Sturm eine Voraussetzung, betont Jauk: „Es ist deshalb notwendig, weil wir in diesem Land limitierte wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorfinden.“ In erster Linie sollen die Spieler bei Sturm selbst Karriere machen. „Wenn sich jemand profiliert, ist es aber Teil der wirtschaftlichen Strategie, junge Spieler nicht nur heranzuführen, sondern irgendwann auch zu verkaufen. Damit ergibt sich eine Win-Win-Situation für Spieler und Sturm Graz.“

KEIN PLATZ FÜR FODA: In all diesen Gedankenspielen war für das wichtigste Puzzleteil der vergangenen Sturm-Jahre kein Platz mehr. Jauk wird nicht müde zu betonen, dass die neue Organisationsstruktur Unabhängigkeit von einzelnen Personen garantieren soll. Die Grazer wiederum waren in der jüngeren Vergangenheit bekanntlich enorm vom Deutschen abhängig. Foda war nach und nach mehr als ein Trainer, was man ihm schlecht zum Vorwurf machen kann. „Foda selbst meint, der Fußball ist kein dankbares Geschäft, da hat er nicht ganz Unrecht. Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft“, philosophiert Jauk. Die Befürchtung des neuen Führungsgremiums ist wohl, dass es Zeit braucht, bis die neue Philosophie greift – Zeit, die man vom durch die Erfolge der Foda-Jahre verwöhnten Umfeld vielleicht nicht bekommen würde. „Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit an Franco Foda ist möglicherweise ungleich höher als an neue Personen. Wir haben die Chance, Dinge zu verändern, ohne dass der Druck in diesem Ausmaß auf einzelnen Personen lastet“, fasst Jauk zusammen.