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Schmidt: "Offensivspieler sind wertvoller geworden"

Schmidt:

Es war Ende Mai als bei Red Bull Salzburg groß analysiert wurde.

Nämlich die abgelaufene Saison. Was war gut, was war schlecht? Für die üblichen Fragen wurden die richtigen Antworten gesucht.

Eine Saison ohne Titel, die in der Mozartstadt praktisch Pflicht sind, lagert die Untersuchung naturgemäß eher in den Bereich der Ursachenforschung für Negatives.

Warum hat es für die Meisterschaft nicht gereicht? Zu wenige Tore? Nein, denn mit 91 erzielten die "Bullen" so viele wie noch nie in der Red-Bull-Ära.

Zu viele Gegentore

So lag es auf der Hand, in die andere Richtung zu denken. Und so kam Sportdirektor Ralf Rangnick zu folgendem Fazit: "Das Problem war nicht, dass wir zu wenige Tore erzielt, sondern zu viele bekommen haben."

39 Gegentreffer waren dem Deutschen zu viel. Rapid hatte ebenso viele Treffer kassiert, lag aber nach 36 Runden 20 Punkte hinter Salzburg.

Die Defensivleistung galt es also zu stärken, ohne aber dabei den etablierten Offensivdrang zu dämpfen. So kam mit dem Auftakt der Vorbereitung auf die neue Saison der folgende Plan endgültig zum Tragen.

Entwicklung der Arbeit

"Wir hatten vergangene Saison in der defensiven Stabilität Probleme. Wenn wir uns alle unterstützen, das geschlossen machen, dann glaube ich, dass unsere Spieler davon profitieren werden", erklärte Trainer Roger Schmidt wenige Tage nach Beginn der Vorbereitung.

Der 46-Jährige sprach an, dass alle Spieler bei Ballbesitz des Gegners besser arbeiten müssten. Das hätte der Deutsche gern schon früher gehabt, doch das 2012 neu zusammengestellte Team brauchte Zeit.

In einem LAOLA1-Interview Mitte April ließ Schmidt wissen: "Wir haben junge Spieler mit viel Potenzial geholt, aber Dinge zu verinnerlichen, so dass es gemeinsam funktioniert, ist nicht so einfach. Das war für viele Neuland, wie sie sich gegen den Ball taktisch zu verhalten haben."

"Das muss koordiniert sein. Wenn das einer allein kann, bringt das gar nichts. Wenn einer ausfällt, haben wir schon ein Problem. Das hinzukriegen und mit dieser Sicherheit die Qualitäten der Spieler einzubringen, damit der Unterschied ausgemacht wird, das ist ein Prozess. Das kann man nicht anknipsen, das dauert und hat uns beschäftigt."

Erste Früchte

Schmidt hatte oft beteuert, dass er im zweiten Jahr nun die Früchte seiner Arbeit aus dem ersten ernten will. Er ist auf dem besten Wege.

Wie der Traum-Auftakt in die Saison zeigt, stimmt der Weg. Vor allem was die offensive Defensiv-Leistung seiner Mannschaft betrifft. Sprich mit dem so genannten Gegenpressing, dem strukturierten Versuch der kollektiven Rückeroberung des Balles nach Verlust desselbigen.

Bereits in der Vorbereitung konnten dahingehend Erfolge verbucht werden, etwa beim ersten richtigen Testspiel in Paderborn, das auswärts gar 7:2 gewonnen wurde.

"Da haben wir sechs Mal nach Ballerobrung kurz vor dem gegnerischen 16er getroffen", hielt Schmidt zuletzt beim "Sport & Talk im Hangar 7" fest. Gegen Schalke setzte sich dieses Spielchen ähnlich fort.

"Wir waren 90 Minuten dominant und in der Lage einem Gegner von großem Format zu verunsichern und unser Spiel aufzuzwingen."

"Spielen richtig gutes Pressing"

In weiterer Folge wurden die ersten kleinen Hürden (St. Florian/9:0, Wiener Neustadt/5:1) zum Pflichtspiel-Auftakt bravourös genommen.

Drei Salzburge attackieren zwei Austrianer, die Balleroberung führt zum Tor

Schließlich zeigte das eindrucksvolle 5:1 gegen die Wiener Austria, dem amtierenden Meister, endgültig, dass sich die "Bullen" auch gegen einen starken Gegner auf diese Weise durchzusetzen wissen.

"Sie spielen richtig gutes Pressing", konstatierte etwa Alexander Grünwald nach der herben Pleite seiner "Veilchen".

Diese Partie zeigte einmal mehr deutlich, wie die Salzburger durch ihre "unbequeme Art" (Rangnick) zu Torchancen kommen.

"Das war unglaublich gut gespielt"

Etwa in Minute 14 als Austrias James Holland knapp in der eigenen Hälfte den Ball bekam, vom tief stehenden Jonathan Soriano bedrängt wurde und am heranrauschenden Kevin Kampl den Ball verlor (VIDEO).

Durch die Schnelligkeit des Slowenen entstand schließlich eine 3:2-Überzahl am Sechzehner der Austria, die Kampl dann aber mit einem missglückten Heber nicht zu nützen vermochte.

Beim Tor zum 5:1 war es dann am besten zu sehen: Zwei Austrianer wurden tief in der eigenen Hälfte von drei Salzburgern attackiert. Alan nahm Florian Mader das Leder ab und Kampl vollendete zum Schlusspunkt (VIDEO).

"Das fünfte Tor war unglaublich gut gespielt von Alan", freute sich Schmidt, der mit seiner Offensive aktuell überaus zufrieden ist. Aber nicht in erster Linie wegen ihrer Tore uns Assists (siehe Tabelle unten).

Sondern vor allem, weil sie die nächsten Schritte in der Defensiv-Arbeit gesetzt hat.

Schmidt: "Alan etwa hat sein Spiel deutlich weiterentwickelt und ist für die Mannschaft wertvoller geworden, das trifft aber auf alle Offensivspieler zu. Kevin Kampl hat zwei Tore gemacht, aber vor allem herausragend verteidigt. Das ist für mich das Entscheidende."

Der Slowene ist mit dieser Saison von der Außenposition ins Zentrum gewandert und fühlt sich sichtlich pudelwohl. Zumal der in Deutschland aufgewachsene Nationalteamspieler früher auch als Sechser fungierte.

Torgefährlicher Kampl

Zuletzt äußerte der 22-Jährige im LAOLA1-Interview das Ziel, mehr Torgefahr ausstrahlen zu wollen. Nun hält Kampl nach zwei Spielen bei vier Treffern, so viele erzielte er in der gesamten vergangenen Saison.

"Ich hatte vergangene Saison auch mit Aluminiumtreffern Pech, jetzt klappt es einfach und das macht mich froh", schildert der Blondschopf, der gegen die Austria eine neue (aber noch unvollendete) Frisur zeigte.

Seine Analyse: "Ich komme durch meine neue Position besser vor das Tor, kann in die Lücken einlaufen."

Sein Trainer sieht es ähnlich: "Er spielt defensiver als vergangene Saison, hat aber einen extremen Aktionsradius. Er ist in der Lage gut zu kombinieren und ich freue mich, dass er seinen Bann gebrochen hat."

Von Perfektion noch weit entfernt

Kampl ist einer, der vor allem von den Balleroberungen ganz vorne profitiert. Bislang klappt es ganz gut, doch Salzburg ist hier hörbar noch nicht am Ende. Zumal die Perfektion noch lange nicht erreicht ist.

Spieler Tore Assists
Soriano 4 3
Kampl 4 -
Alan 1 2
Ramalho 1 -
Schwegler - 2
Jantscher - 1
Ilsanker - 1
Meilinger - 1

"Das kriegt man nicht schnell perfekt hin, da muss man immer wieder an den Schrauben drehen. Wir hatten gegen die Austria Ballverluste, die nicht mehr zu verteidigen waren", kritisierte Schmidt etwa.

"Wenn man dem Gegner in der vordersten Reihe den Ball direkt in die Beine spielt, dann wird es schwierig, wenn der Gegner die ganze Hälfte für den Tiefgang hat. Wir haben noch Verbesserungspotenzial, aber das, was wir spielen wollen, ist für meine Mannschaft maßgeschneidert."

Dass das frühe Attackieren und "extreme nach vorne Verteidigen" automatisch mit Risiken verbunden ist, sei laut Schmidt natürlich.

Risiko gegen Fenerbahce minimieren

Am Mittwoch kommt es zum wichtigen Hinspiel in der 3. CL-Quali-Runde gegen Fenerbahce Istanbul, in dem ein Gegentor unerwünscht ist.

Am Salzburger Spiel wird sich auch gegen diesen Gegner nichts ändern. "Unser Ziel ist es, auch gegen Fenerbahce unsere Spielidee durchzudrücken", hielt Schmidt bereits nach der Auslosung fest.

Marco Meilinger zeigte sich nach dem Austria-Match selbstbewusst: "Wir haben das in der Vorbereitung schon sehr gut umgesetzt. Wenn wir durch Pressing den Ball erobern und zu Chancen kommen, dann geht das gegen jeden Gegner."

Die notwendigen Lehren aus dem 5:1-Kantersieg sollen dann gezogen sein. Das betrifft aber nicht nur das junge Innenverteidiger-Duo Andre Ramalho und Martin Hinteregger, sondern auch die Spieler weiter vorne.

Bereits nach der Pause war in dieser Hinsicht die Fehlerquelle geringer. "Da haben wir das wesentlich besser gemacht", schilderte Schmidt, der seinem "Puffer" Stefan Ilsanker anordnete: "Ich möchte dich kein einziges Mal mehr vor dem Ball sehen."

"Sie beschränken sich nicht, Künstler zu sein"

Während der Salzbuger Abräumer für den Trainer wichtige Facetten wie Robustheit und Absicherung abdeckt, sind die Spieler ganz vorne - also Sadio Mane, Alan, Jonathan Soriano und Marco Meilinger - defensiv gefragt.

"Sie beschränken sich nicht darauf, Künstler zu sein", hält Schmidt diesbezüglich zufrieden fest. Und damit kommt der Coach seinem Ziel näher, nämlich die Früchte seiner Arbeit zu ernten.

Idealerweise findet dieser Prozess schon am Mittwoch seine nächste Fortsetzung.

 

Bernhard Kastler