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Prozess nach Krawalle: Rapid "belohnte" Rädelsführer

Prozess nach Krawalle: Rapid

Im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen von Rapid-Fans am Wiener Westbahnhof vom 21. Mai 2009 sind am Dienstag 22 Urteile des Straflandesgerichts bestätigt worden.

Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hat die Strafberufungen der wegen Landfriedensbruchs schuldig erkannten Fußball-Anhänger verworfen. Das bedeutet, dass Ex-Ultras-Chef Oliver P. 14 Monate im Gefängnis verbüßen muss.

Wie der Rekordmeister mit dem damit bereits mehrfach rechtskräftig vorbestraften Gewalttäter umgeht, wirkt einigermaßen irritierend.

Rädelsführer in Reformkommission berufen

Statt sich von dem 30-Jährigen zu distanzieren, wurde Oliver P. nämlich vom SK Rapid in eine Reformkommission berufen. Sein Verteidiger Marcus Januschke legte im Justizpalast ein Schreiben vor, demzufolge der 30-Jährige von Rapid-Präsident Rudolf Edlinger persönlich in diese Funktion gehoben wurde.

Die 14 Personen umfassende Kommission, der neben Edlinger auch Ex-Präsident Günter Kaltenbrunner und der ehemalige Trainer und Sportdirektor Ernst Dokupil angehören, soll Vorschläge erarbeiten, "wie die Struktur und damit verbunden auch die Satzung des Rekordmeisters so verändert werden kann, dass der SK Rapid den Ansprüchen der nächsten Jahrzehnte gerecht werden kann", wie auf der Homepage des Vereins nachzulesen ist.

Bindeglied zwischen Verein und der Fan-Szene

Wie Oliver P. dem OLG-Berufungssenat erläuterte, soll er innerhalb der Kommission, die Anfang Juni das erste Mal zusammengetreten ist, "ein Bindeglied zwischen Verein und der Fan-Szene sein". Er habe sich zu diesem Zweck "aus der vordersten Organisation der Fan-Gruppe zurückgezogen", ergänzte sein Rechtsbeistand.

Laut nunmehr rechtskräftigem Urteil hat sich Oliver P. in führender Funktion an den Ausschreitungen am Westbahnhof beteiligt, indem er Dutzende Rapid-Anhänger anfeuerte und dirigierte, die von einer Auswärtspartie in Linz heimkehrende Austria Wien-Fans in Empfang nehmen wollten.

Bei der Strafbemessung war eine einschlägige Vorstrafe erschwerend: Der Ex-Ultras-Capo war nach gewalttätigen Ausschreitungen bei einem Auswärtsmatch in Kapfenberg bereits einmal wegen Landfriedensbruchs verurteilt worden.

Ersichtliche Verwunderung

Dass er den Berufungssenat (Vorsitz: Werner Röggla) um eine gänzlich bedingte Strafnachsicht ersuchte, nahm das Gericht mit für Prozessbeobachter ebenso ersichtlicher Verwunderung zur Kenntnis wie seinen offensichtlich anhaltenden "guten Draht" zu Entscheidungsträgern beim Rekordmeister.

Nach der erstinstanzlichen Erledigung der Causa Westbahnhof im Jänner 2012 war Oliver P. nämlich im Dezember 2012 vom Bezirksgericht Wien-Fünfhaus neuerlich abgeurteilt worden - zum einen wegen einer versuchten Körperverletzung am Rande eines Heimspiels des SK Rapid, als er einem Kontrahenten zwei Schläge ins Gesicht versetzte, zum anderen wegen Sachbeschädigung, weil er bei einem Auswärtsspiel in Ried die Scheibe eines Busses eingeschlagen haben soll.

85 Rapid-Fans vor Gericht

In der Causa Westbahnhof waren am Ende langwieriger polizeilicher Ermittlungen 85 Rapid-Fans vor Gericht gelandet. 75 wurden schließlich wegen Landfriedensbruchs, teilweise auch wegen Sachbeschädigung, versuchter Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt, davon elf zu teilbedingten oder gänzlich unbedingten Haftstrafen. 41 legten dagegen Strafberufung ein.

Kein Platz für Strafreduktion

Neben Oliver P. bekamen heute weitere 21 vom OLG zu hören, dass für eine Strafreduktion kein Platz sei. "Sie haben eine Gegend in Angst und Schrecken versetzt", betonte Richter Röggla. Die teilweise gerichtlich vorbelasteten Männer hätten "die Langmütigkeit der Justiz ausgenützt". Für die Rädelsführer - neben Oliver P. fasste ein zweiter Anführer zehn Monate unbedingt aus - bedürfe es des Vollzugs der Freiheitsstrafen.

Die restlichen Männer kassierten Strafen zwischen elf Wochen auf Bewährung und neun Monaten teilbedingt.

19 weitere Berufungen werden in einem weiteren öffentlichen Rechtstag morgen, Mittwoch, verhandelt.

Rapid ersetzt verurteilten Ex-Ultras-Capo

Rapid-Präsident Rudolf Edlinger erklärte am Nachmittag, dass für den verurteilten Ex-Ultras-Chef in Zukunft kein Platz mehr im Gremium sein werde.

"Nach der nun rechtsgültigen Verurteilung ist [...] klar, dass die aktive Fanszene zukünftig in der Reformkommission durch eine andere Person vertreten sein wird", wurde Edlinger in einer Vereinsaussendung zitiert.

Wie der Klub erläuterte, sei Oliver P. als von der "aktiven Fanszene" nominiertes Mitglied in die Reformkommission geholt worden, man habe von Vereinsseite keine Ausgrenzungspolitik betreiben wollen.

"Im Falle der aktiven Fanszene wurde der ehemalige Ultras-Capo Oliver P. vorgeschlagen, und so wie bei allen anderen nominierten Personen folgte die Einberufung von ihm in diese Reformkommission persönlich durch Rapid-Präsident Rudolf Edlinger", hieß es.

Edlinger erläuterte die Nominierung folgendermaßen: „Es war uns wichtig, dass die gesamte Rapid-Familie, der auch die aktive Fanszene, die vorwiegend im Block West beheimatet ist, angehört, in dieser Reformkommission vertreten ist. Wir wollten und wollen niemanden ausgrenzen, und auch durch die Tatsache, dass sich Herr P. in den jüngeren Vergangenheit als wertvolles Bindeglied zwischen der aktiven Fanszene und dem Club bewiesen hat, erfolgte diese Nominierung."