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Der weite Weg des Arvedin Terzic

Der weite Weg des Arvedin Terzic

Arvedin Terzic ist wieder dort, wo er sich zu Hause fühlt. In Wien-Favoriten.

„Großartig! Hier habe ich meine Freunde, mit denen ich etwas unternehmen und abschalten kann“, sagt der 23-Jährige.

Und Terzic ist dort, wo er immer schon hin wollte. In der Bundesliga.

„Toll! Ich will mich hier beweisen und allen zeigen, was ich drauf habe“, sagt der Mittelfeldspieler.

Flucht nach München

Es war ein weiter Weg – in die österreichische Hauptstadt und die höchste Spielklasse.

Begonnen hat alles in der bosnischen Stadt Zvornik. Doch die Familienidylle währte nur kurz. Der Balkankrieg brach aus und die Familie flüchtete ohne den Vater, der dem kriegerischen Konflikt zum Opfer fiel, nach München.

„Ich habe gar keine Erinnerungen mehr an Bosnien“, so Terzic. An die sechs Jahre in Bayern hingegen schon: „Es war nicht so einfach für uns. Wir hatten vielleicht 30 Quadratmeter, waren aber sechs Leute in der Wohnung. Aber man muss immer das Beste aus seiner Situation machen.“

Dass er in dieser Zeit im Nachwuchs des FC Bayern gespielt haben soll, wie von transfermarkt.at angeführt, stimmt übrigens nicht. „Leider“, lacht der Bundesliga-Profi.

Die Parks in Wien-Favoriten

Doch München sollte nur eine Zwischenstation bleiben. „Wir wurden abgeschoben. Wir hatten dann zwei Optionen: Schweden oder Österreich. Weil wir hier Verwandte haben, hat sich meine Mutter für Österreich entschieden.“

Der zehnte Wiener Gemeindebezirk wurde die neue Heimat der Familie. In den Parks und Käfigen der Umgebung entwickelte Terzic seine fußballerischen Fähigkeiten.

Bei Rapid schaffte Terzic nicht den Durchbruch

So musste er mitansehen, wie seine ehemaligen Mitspieler – etwa Yasin Pehlivan, Tanju Kayhan, Christopher Trimmel und Christopher Drazan – davon zogen, teilweise den Schritt ins Ausland schafften, teilweise im Nationalteam aufliefen.

„Trotzdem wollte ich nie aufgeben“, meint er. Was im Sommer 2010 folgte, war das, was viele Fußballer in solch einer Situation „einen Schritt zurück, um danach zwei nach vorne zu machen“ nennen: Ohne große Aussichten in der zweiten Mannschaft des SCR heuerte er bei Ostliga-Konkurrent FAC Team für Wien an.

Kein Geld in Lustenau

Im vergangenen Sommer lotste ihn Damir Canadi in die Erste Liga zum FC Lustenau. „Das Klima war perfekt, alles hat gepasst“, erinnert sich Terzic an die ersten Monate.

Das sollte aber nicht so bleiben: „Im November und Dezember gab es dann einige Probleme.“ Im Klartext: Es wurde kein Gehalt mehr ausbezahlt.

In der schlimmsten Phase mussten sich einige FCL-Kicker Geld bei Familie oder Freunden ausleihen, um sich überhaupt etwas zu essen kaufen zu können.

Der Mittelfeldspieler sagt nur: „Es war schwer, aber wir haben uns gegenseitig geholfen.“

„Daher kommt auch meine Stärke in den Eins-gegen-Eins-Situationen. Im Park war ich immer einer der besten Techniker“, erinnert er sich.

Lehre zum Installateur

Der 23-Jährige ist kein Produkt einer Fußball-Akademie, keiner, der von klein auf in eine Schablone gepresst wurde. Wenngleich er freilich auch schon früh Vereins-Fußball gespielt hat – zuerst bei Gaswerk (mittlerweile Team Wiener Linien) und dann bei Rapid.

Nebenbei machte der Linksfuß eine Lehre zum Installateur. „Drei Jahre lang, dann wurde ich zu den Amateuren hochgezogen und habe mit der Arbeit aufgehört“, sagt er.

Pech in Hütteldorf

Terzic hatte das Potenzial, um es zu den Profis der Hütteldorfer zu schaffen. Aber: „Ich war damals leider sehr oft verletzt, bin immer wieder zurückgeworfen worden. Schade, dass das genau in diesen Jahren war.“

Besserung war keine in Sicht: „Nachdem der Herbst vorbei war, waren die Gehälter immer noch nicht ausbezahlt. In so einer Situation telefoniert man fast jeden Tag mit der Geschäftsstelle und den Mitspielern.“

Die große Chance

Terzic‘ Glück: Er hatte in der Hinrunde mit starken Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Fünf Tore und sechs Assists blieben dem SC Wiener Neustadt nicht verborgen.

„Da hat er aufblitzen lassen, was er kann. Es ist nicht das Einfachste, in Lustenau so viele Akzente zu setzen – das zeugt von Qualität“, so SCWN-Trainer Heimo Pfeifenberger.

In der Winterpause rief Wr. Neustadts Manager Günter Kreissl an und fragte den 23-Jährigen, ob er zum Verein kommen wolle. Terzic: „Dann ist alles ganz schnell gegangen. Ich war bereit für den nächsten Schritt.“

Das erste Tor

Mittlerweile hat der Kreativgeist seine ersten drei Bundesliga-Spiele in den Beinen. Und auch schon bleibenden Eindruck hinterlassen. Denn beim 1:3 in Salzburg schoss er die Niederösterreicher in Führung.

„Ein unbeschreibliches Gefühl. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich ausgerechnet auswärts gegen Salzburg mein erstes Bundesliga-Tor schieße“, strahlt er.

Nach all den Rückschlägen und Problemen läuft es für ihn derzeit richtig gut.

Zurück in Wien, in der Wohnung seiner Mutter, mit den alten Freunden – als wäre er nie weg gewesen. Und endlich in der Bundesliga. Dort, wo er immer schon hinwollte.


Harald Prantl