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"Nur destruktiv macht ja auch keinen Spaß"

„Die Frage wird mir jede Woche gestellt“, schmunzelte Thomas von Heesen.

Und zwar jene nach dem Spiel der letzten Chance. Am Samstag ist es vermeintlich wieder einmal soweit, wenn der SV Mattersburg in Kapfenberg gastiert.

Zuvor gilt es für die Obersteirer jedoch, die 0:3-Niederlage bei Rapid aufzuarbeiten. Ein Spiel, das beinahe schon zum Musterbeispiel für den KSV unter seinem deutschen Coach wurde:

Lob von allen Seiten, für das man sich letztlich jedoch nichts kaufen kann, solange man am Ende mit leeren Händen dasteht.

Dann sagen die Jungs irgendwann: ‚Nicht meine Sportart‘“

Dennoch strich Rapid-Coach Peter Schöttel hervor: „Kompliment an Kapfenberg. Wir haben schon lange keine Mannschaft mehr hier gehabt, die so mutig gespielt und sich nicht hinten verbarrikadiert hat, sondern genauso den Sieg wollte wie wir.“

Nicht das erste Mal, dass die „Falken“ in Schönheit gestorben sind. Von Heesen bleibt dennoch seiner Strategie treu:

„Ich bin kein Trainer, der seiner Mannschaft sagt, dass sie sich hinten reinstellen soll. Wenn du am Ende des Tages drei Punkte Rückstand hast, aber die Mannschaft hat nur destruktiv gespielt, macht das ja auch keinen Spaß. Außerdem habe ich nicht die Spieler dafür. Ich habe Spieler, die kicken können, die kicken wollen, und das sollen sie auch tun.“

„Wenn ich Mittelfeldspieler wie Florin Lovin oder Mario Grgic habe, die Fußballspielen können, nutzt es nichts, wenn ich sage: ‚Schlagt die Bälle weit nach vorne.‘ Dann sagen die Jungs irgendwann: ‚Dankeschön, das war’s, das ist nicht meine Sportart‘“, so der 50-Jährige weiter.

„Wir müssen dann auch einmal ein Tor machen“

Dass die Mannschaft des Schlusslichts vom Auftreten her nur noch wenig mit jener aus dem Herbst zu tun hat, hat sich inzwischen längst herumgesprochen.

In Hütteldorf hatten die Kapfenberger nach Schlusspfiff nur vier Ballkontakte weniger zu Buche stehen als die Hausherren (671 zu 675), was für einen Tabellenletzten im Hanappi-Stadion für gewöhnlich atypisch ist.

Bei allem Streben nach Ballbesitz waren die Steirer jedoch zu wenig auf den Endzweck aus. Im letzten Angriffsdrittel war meist Endstation, wie nur acht Torschüsse belegen.

Ein Problem, das von Heesen bewusst war. Der Coach trauerte vor allem zwei Möglichkeiten von Nathan Junior hinterher: „Wir müssen dann auch einmal ein Tor machen, denn ohne Tor holst du hier keinen Punkt. Ich erwarte schon, dass wir uns in dieser Situation knallhart konzentrieren können.“

Die Naivität einer Knabenmannschaft

An Konzentration mangelte es jedoch nicht nur vor dem gegnerischen Gehäuse, auch das Abwehrverhalten bei den Gegentoren ärgerte den früheren HSV-Kicker, speziell beim 0:1 durch Deni Alar:

„Da sind wir aus Naivität zehn Sekunden vor der Pause in einen Konter gelaufen. Anstatt dass ein erfahrener Spieler einfach mal auf die Uhr schaut und Dampf rausnimmt, rennen wir da rein wie eine Knabenmannschaft. Aber das weiß die Mannschaft, das muss ich ihr nicht vorhalten.“

Langsam aber sicher läuft Kapfenberg im Kampf um den Klassenerhalt die Zeit davon. Zehn Runden vor Saisonende beträgt der Rückstand auf Wiener Neustadt elf Punkte.

Die Frage, wo der KSV stehen würde, hätte von Heesen früher übernommen, ist eine oft diskutierte. Bei allen berechtigten Komplimenten für die Spielweise stehen jedoch in sieben Frühjahrs-Spielen bereits vier Niederlagen zu Buche.

„Gerson müsste bei ganz anderen Mannschaften spielen“

Dass aber zumindest am Transfermarkt der eine oder andere gute Griff dabei war, steht inzwischen außer Frage. Neben Lovin sticht vor allem Innenverteidiger Gerson immer wieder positiv heraus.

Auch gegen Rapid unterstrich er sein Talent, wenngleich der eine oder andere Patzer dabei war, wie von Heesen monierte: „Er hatte zwei, drei Fehler drinnen, die er normal nicht macht. Aber er hat sein siebtes Spiel in drei Wochen gemacht, da kann ich einem 20-Jährigen nicht böse sein.“

Es wäre wenig verwunderlich, wenn der Brasilianer längst bei prestigeträchtigeren Arbeitgebern als dem KSV ein Thema wäre. Von Heesen betonte abermals, dass Gerson ein Fall für höhere Aufgaben sei:

„Das ist ein Spieler, der bei ganz anderen Mannschaften spielen müsste, wenn er sich weiterentwickelt, und nicht bei Kapfenberg. Aber diese Spieler kommen, weil sie sich entwickeln wollen, an das glauben, was ich ihnen vorgebe und in drei vier Jahren einmal dort landen werden, wo sie hinwollen.“

„Wissen, dass wir gegen Mattersburg gewinnen müssen“

Wo der KSV in drei, vier Jahren steht, ist ein ganz anderes Thema. Eine gemütliche Abschiedstournee aus der Bundesliga sollen die verbleibenden Begegnungen auf keinen Fall werden:

„Wir geben bis zum letzten Tropfen, den wir im Tank haben, Gas. Dann wird sich herausstellen, wo wir stehen. Aber wir denken nicht jeden Tag drüber nach: 11 Punkte, 9 Punkte, 12 Punkte…“

Und eine ebenfalls Woche für Woche gestellte Frage nahm von Heesen sicherheitshalber gleich selbst vorweg:

„Wenn mich einer fragt, ob ich den Glauben verliere: Nein, das tue ich nicht. Ich habe Spaß an meinem Job, ich habe Spaß an der Mannschaft, aber wir wissen auch, dass wir gegen Mattersburg gewinnen müssen.“

Peter Altmann