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Mattersburgs unbesungener Held

Mattersburgs unbesungener Held

Karim Onisiwo ist der Spektakuläre – unwiderstehliche Tempodribblings und sieben Tor-Beteiligungen.

Markus Pink ist der Vollstrecker – erfolgreichster Angreifer, alle 193 Spielminuten ein Tor, immer dort, wo es gefährlich ist.

Michael Perlak ist der Vorbereiter – fünf Assists und unzählige Torschussvorlagen, mit denen er die Offensivreihe in Szene setzt.

Mattersburg-Trainer Ivica Vastic spricht aber von keinem aus diesem Trio, wenn er sagt: „Er ist unser wichtigster Spieler. Unsere gesamte Leistung ist von ihm abhängig.“

Der Coach meint damit Alejandro Velasco Farinas, besser bekannt als Jano. Das Hirn, der Taktgeber, der unbesungene Held der Burgenländer.

Die Bedeutung des Spaniers für den SVM lässt sich an einer Statistik ganz deutlich ablesen: Seit Jano im Sommer 2014 vom SKN St. Pölten gekommen ist, hat er nur 14 Spielminuten verpasst. Das Spiel des Aufsteigers steht und fällt mit dem Auftreten des 28-Jährigen. „Durch seine Kontinuität ist er ein ganz wichtiger Bestandteil der Mannschaft“, weiß Sportdirektor Franz Lederer.

"Habe nie verstanden, warum er Stürmer war"

Fast unvorstellbar, dass der Mann, der im defensiven Mittelfeld die Fäden zieht, in Spanien lange Zeit als Stürmer agiert hat. Und vielleicht auch ein Grund dafür, warum ihm in seiner Heimat der Durchbruch versagt geblieben ist.

„Ich habe auch nie verstanden, warum er dort Stürmer war. Wir haben ihn eigentlich als Achter bzw. fast als Zehner geholt. Bei uns hat er meistens in einem 4-2-3-1 gespielt. In Mattersburg spielt er im 4-1-4-1 das einzige Bindegleid zwischen Abwehr und Mittelfeld, was ihm, glaube ich, noch lieber ist“, berichtet Martin Scherb, der Jano im Jänner 2012 nach St. Pölten geholt hat.

Der „Sky“-Experte schwärmt: „Er ist ein unheimlich intelligenter Mensch – diese Intelligenz setzt er in Spielintelligenz um. Er ist nicht unbedingt dynamisch, gleicht das aber mit einer unglaublichen Technik und Übersicht aus.“

"Wird er aus dem Spiel genommen, ist das ein Problem"

Scherb weiter: „Wenn er gut aus dem Spiel genommen wird, wie es der Admira zuletzt gelungen ist, hat Mattersburg ein Problem. Er hat die erste Pressinglinie des gegnerischen Teams mit seinem Passspiel zu überwinden. Wenn das nicht funktioniert, fehlt dem SVM ein großes Stück Qualität. Jano ist dafür verantwortlich, dass sie ihr variables Offensivspiel aufziehen können.“

1.026 Ballkontakte hatte Jano in den ersten zwölf Runden, das ergibt rund 86 pro Spiel. „Er soll seine defensive Arbeit gut verrichten, die Löcher zwischen den Linien stopfen, ist aber auch im Spielaufbau ein ganz wichtiger Spieler“, beschreibt Vastic die Rolle, die dem Spanier zugedacht ist.

Lederer sieht vor allem in dieser Hinsicht noch Entwicklungspotenzial: „Er ist noch nicht voll ausgereift. Auch, wenn er schon ein bisschen älter ist, hat er sicher noch Möglichkeiten, sich zu verbessern. Ich bin überzeugt, dass er noch mehr Tore und Assists liefern könnte.“

Der beste Abfangjäger der Liga

Doch auch im Spiel gegen den Ball ist Jano eine wichtige Rolle zugedacht – das Löcherstopfen zwischen den Linien, die Balleroberungen im Mittelfeld. 70,6 Prozent gewonnene Zweikämpfe (127/53), 94,4 Prozent erfolgreiche Tacklings (34/2) und nur sechs Fouls sind beeindruckende Zahlen.

Eine andere Statistik ist aber noch viel überragender: Der Spanier hat in den ersten elf Runden 87 Bälle abgefangen – damit lässt er jeden anderen Bundesliga-Spieler weit hinter sich. Alleine im Auswärtsspiel gegen Salzburg waren es 17 – mehr als so manche Bundesliga-Truppe in einem gesamten Spiel.

"Manchmal übertreibt er"

Geht es um den Spielaufbau, ist Jano der erste Ansprechpartner. „Die Riesenqualität, die er hat, ist, dass er ruhig bleibt, wenn man ihn mit dem Blick auf das eigene Tor anspielt und er von hinten Druck kriegt. Er deckt den Ball gut ab, deutet links an und dreht sich. Das kann er wie kaum ein anderer in Österreich“, sagt Scherb.

Lederer: „Ich habe selten einen Spieler gesehen, der am Ball diese Ruhe ausstrahlt. Das ist sein Naturell. Er wirkt als Mensch fast phlegmatisch. Am Platz ist das kein Nachteil, da strahlt er diese Ruhe aus und gibt sie an seine Teamkollegen weiter.“ Vastic bestätigt das, sieht darin aber auch eine Gefahr: „Manchmal übertreibt er. Er weiß, dass er sehr sicher am Ball ist. Ballverluste in der Zone, in der er sich bewegt, können katastrophale Folgen haben.“

"Er entscheidet alles"

Hat sich Jano einmal umgedreht und das Spiel vor sich, hat er das Schicksal des SVM in der Hand. „Er balanciert unser Spiel. Er entscheidet alles. Die Tempowechsel in unserem Spiel hängen davon ab, ob er beschleunigt. Wir sind sehr abhängig von ihm“, so Vastic.

Scherb sieht die offensive Variabilität der Burgenländer auch dem Umstand geschuldet, dass sich Michael Perlak und der jeweils dritte Spieler in der Zentrale, Sven Sprangler, Mario Grgic oder Manuel Prietl, früh in die Positionen bewegen können: „Er gibt seinen Mitspielern Sicherheit. Sie können sich schon weiter nach vorne orientieren, weil sie wissen, dass nichts passiert. Wenn er den Ball hat, müssen sie nicht absichern.“

Vastic weist auf eine weitere offensive Qualität des Madrilenen hin: „Es gibt bei uns keinen, der so gute Standards schießt. Er ist aber auch sehr kopfballstark. Wir müssen also immer abwägen, wo wir ihn im jeweiligen Moment mehr brauchen.“

Janos abgefangene Bälle im Spiel gegen Salzburg

„Er erkennt Situationen. Dieses Antizipieren von Situationen ist eine seiner größten Qualitäten“, sagt Scherb. Vastic sieht es auch so: „Seine größte Stärke ist die Antizipation.“ Doch auch in dieser Hinsicht sieht er noch Luft nach oben: „Er hat aber noch Potenzial im Nachsetzen, wenn das nicht gelingt. Er darf sich nicht zu sehr auf seine Antizipationsgabe verlassen.“

Gezaubert wird in der Kabine

So unspektakulär, wenngleich effizient, Jano teilweise auf dem Spielfeld agiert, ist es nicht weiter verwunderlich, dass ihm in Österreich wenig Rampenlicht zuteil wird. Den Ausgleich schafft der Spanier mit seinem Hobby, das er zwischendurch sogar zum Nebenberuf gemacht hat. Jano ist Zauberer.

Während seiner Zeit in Spanien verdiente sich der Iberer mit seinen Kartentricks ein nettes Zubrot. In Mattersburg gibt es die Vorstellungen regelmäßig in der Kabine. „Er ist in der Mannschaft schnell angekommen. Durch sein Hobby kann er sich die Lacher schnell auf seine Seite holen“, erzählt Lederer. Vastic bestätigt: „Er ist auch für die gute Laune in der Kabine zuständig.“

Um beim in Wien lebenden Mittelfeldmann kein Heimweh aufkommen zu lassen, darf der Kicker, der Wirtschaft studiert hat, regelmäßig nach Hause reisen. „In Länderspielpausen bekommt er manchmal einen Tag mehr frei, um zu seiner Familie zu fliegen. Man muss schon auch Verständnis für Legionäre haben“, sagt Vastic.

Derzeit ist ein SVM ohne Jano jedenfalls nur sehr schwer vorstellbar. Doch was bringt die Zukunft? „Sein Vertrag läuft bis Sommer 2017. Wenn er weiter seine Leistungen bringt, ist er sehr, sehr wichtig für uns. Ich glaube, dass er bei uns sehr zufrieden und glücklich ist. Ob er sich sportlich noch einmal verändert wird, wird die Zeit zeigen“, macht sich der Mattersburg-Sportdirektor keine großen Sorgen.

Scherb ist sich indessen sicher: „Er würde in Österreich fast jeder Mannschaft weiterhelfen.“

Harald Prantl