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"Der Bauernbua soll weg von da?"

Christoph Martschinko ist noch keine 21 Jahre alt. Dennoch befindet sich der Steirer in seiner dritten Saison als Bundesliga-Profi. 74 Partien in der höchsten Spielklasse hat er schon auf dem Buckel.

„Das ist schon sehr gut, aber ich will mehr. Ich will 200 Bundesliga-Spiele haben“, grinst der Linksverteidiger, der vergangenen Winter vom SC Wiener Neustadt zum SV Grödig gewechselt ist.

Dass er es überhaupt soweit geschafft hat, überrascht den 20-Jährige aber auch heute noch: „Ich komme aus einem Bauernort. Ich hätte mir nie erwartet, dass es so weit nach oben geht.“

Als dem „g’raden Steck’n“ der Knopf aufging

Der „Bauernort“ ist Lebring-Sankt Margarethen im Bezirk Leibnitz. Gerade einmal  2.028 Einwohner wurden bei der bisher letzten Volkszählung registriert. Und dennoch ist der junge Martschinko in den ersten Jahren nicht gerade als fußballerisches Talent aufgefallen.

„Bis zur U13 war ich ein richtig ‚g‘rader Steck’n‘, wie man bei uns sagt“, lacht der Kicker. Doch dann kam ein ordentlicher Entwicklungsschub: „Auf einmal habe ich mir von meinen ganzen Freunden etwas abgeschaut, habe jeden Tag mit ihnen gekickt und irgendwie ist mir der Knopf aufgegangen.“

„Eigentlich unvorstellbar“

Das ist selbst Klubs wie Rapid Wien, Sturm Graz und RB Salzburg nicht verborgen geblieben. Alle drei Vereine wollten den damaligen U15-Spieler für ihre Nachwuchs-Akademien gewinnen.

„Der erste Gedanke war: ‚Wow, was ist jetzt? Der kleine Bauernbua soll weg von da und in die Städte?‘ Es war ein geiles Gefühl, das machen zu dürfen. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das für mich und meine ganze Familie eigentlich unvorstellbar“, erinnert sich der U21-Internationale zurück.

Der andere Weg war ein guter Weg

Martschinko entschied sich für die „Bullen“. Vom SV Lebring in die Salzburger Talenteschmiede – ein Schritt in eine völlig neue Welt. „Am Anfang musste ich mich erst zurechtfinden. Da waren richtig gute Fußballer in Salzburg. Ich konnte dort sehr viel lernen. Es war die richtige Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen“, ist er sich sicher.

Der Durchbruch in der Mozartstadt gelang dem Linksfuß aber nicht – die Juniors in der Regionalliga West waren das Höchste der Gefühle. „Damals war es in Salzburg sehr schwer, in der ersten Mannschaft Fuß zu fassen. Der einzige, der es richtig geschafft hat, war Martin Hinteregger“, sagt er.

„Ich habe einen anderen Weg gefunden. Es war ein guter Weg“, spricht er den leihweisen Wechsel nach Wiener Neustadt an. Am letzten Transfertag des Sommers 2013 wurde Martschinko nach Niederösterreich verliehen.

Stammspieler ohne Anlaufzeit

Dort wurde der Youngster praktisch auf Anhieb Stammspieler. Erwartet hatte er etwas anderes: „Ich habe mir gedacht, dass es in der Bundesliga schwieriger wird. Aber es hat sich dann doch ganz gut ergeben.“

So gut sogar, dass die Grödiger im vergangenen Winter an ihn dachten, als sie einen neuen Linksverteidiger suchten. Erneut war es nur wenige Stunden vor Transferende, als der Deal über die Bühne ging, erneut benötigte der Kicker keinerlei Anlaufzeit, um ein Stammleiberl zu erobern.

„Ich kann mir selbst nicht erklären, wie das zustande gekommen ist. Hoffentlich ist es nicht immer so, dass ich am letzten Tag abreisen muss“, lacht Martschinko über die beiden Last-Minute-Deals. Beim nächsten Transfer hätte er dann doch ganz gerne ein wenig mehr Zeit zum Packen.

Ein Traditionsverein ist das Ziel

Der SVG soll für ihn nämlich nicht das Ende der Fahnenstange sein: „Ich will irgendwann bei Traditionsvereinen spielen und ins Ausland wechseln. Jetzt muss ich aber erstmal meine Leistung in Grödig abrufen.“

Deshalb schuftet Martschinko in der Vorbereitung auch ordentlich. Unter Neo-Coach Michael Baur hatte der Abwehrspieler, der in Wr. Neustadt auch im linken Mittelfeld zum Einsatz kam, zunächst keinen leichten Stand, spielte sich nach fünf Runden aber wieder in die Stammformation.

„Es war okay, aber ich habe noch Luft nach oben“, ist der 20-Jährige, der in Grödig noch bis Sommer 2016 unter Vertrag steht,  mit seinem Herbst nicht vollauf zufrieden.

„Die anderen sind mir um die Ohren gelaufen“

Den Beginn der Vorbereitung auf das Frühjahr hat Martschinko wegen der Grundausbildung beim Bundesheer verpasst. „Es hat schon etwas gefehlt. Nach den 14 Tagen beim Bundesheer sind mir die anderen um die Ohren gelaufen. Aber ich habe mich mittlerweile wieder gut eingefunden“, berichtet er.

Es wäre nicht das erste Mal in seiner Karriere, dass er trotz suboptimaler Ausgangsposition das Optimum herausholt. Wenn nichts schiefgeht, absolviert Martschinko im kommenden Herbst sein 100. Bundesliga-Spiel. Als 21-Jähriger. Nicht schlecht für einen, der mit zwölf Jahren noch „ein richtig ‚g‘rader Steck’n‘“ war.

Harald Prantl