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Warum hat es nicht gepasst?

Warum hat es nicht gepasst?

Nenad Bjelica und die Wiener Austria – es hat einfach nicht gepasst.

Nach acht Monaten im Traineramt sah sich die violetten Führungsriege dazu gezwungen, sich von ihrem Trainer zu trennen.

Doch was ist in dieser Zeit schief gelaufen? Warum hatte es der Kroate von Anfang an schwer und was hat er in weiterer Folge falsch gemacht?

LAOLA1 analysiert die Geschehnisse:

  • Bilanz in Zahlen

Am 244. Tag im Amt wurde Nenad Bjelica als Trainer der Wiener Austria beurlaubt. Er ist seit Georg Zellhofer im Jahr 2008 der erste FAK-Coach, der nicht in der Winter- oder Sommerpause geht, sondern mitten im Spielbetrieb seinen Stuhl räumen muss. 35 Spiele (inklusive des CL-Spiels in Madrid, bei dem er auf der Tribüne Platz nehmen musste) betreute der Kroate die Violetten. Davon wurden zwölf Partien gewonnen, 13 verloren und zehn endeten mit einem Remis – die Bilanz ist also knapp negativ, der Durchschnitt beträgt 1,31 Punkte pro Partie. Positiv ist hingegen das Torverhältnis von 53:48 Toren. Insgesamt wurden in der kurzen Ära Bjelica 28 verschiedene Spieler eingesetzt. Goalie Heinz Lindner und Linksverteidiger Markus Suttner brachten es mit je 34 Spielen auf die meisten Partien unter dem 42-Jährigen.

  • Erwartungshaltung

Die von Peter Stöger hinterlassenen Fußstapfen waren riesig. Und auch wenn der Meistertrainer schon längst in Köln weilte, warf er den gesamten Herbst über stets seinen Schatten auf Wien-Favoriten. Bei jeder Entscheidung Bjelicas wurde – teils öffentlich, teils hinter vorgehaltener Hand – gefragt: „Was hätte Stöger getan? Wie hätte Stöger reagiert?“ Bjelica muss hoch angerechnet werden, dass er sich davon – zumindest im Rampenlicht – nie genervt zeigte, sondern immer in höchsten Tönen von seinem Vorgänger sprach. Dass er sich dieser ständigen Vergleiche ausgesetzt sah, war aber auch einem Versäumnis der sportlichen Leitung geschuldet. Immerhin wurde es verabsäumt, abwanderungswillige Leistungsträger wie Philipp Hosiner und Markus Suttner an den Mann zu bringen, um so einerseits für frisches Blut innerhalb der Mannschaft zu sorgen und andererseits Druck von Bjelicas Schultern zu nehmen. Da der Meisterkader aber gehalten wurde, wurde von Bjelica nicht weniger verlangt, als das Kunststück, das Stöger 2012/13 vollbracht hatte, zu wiederholen – dasselbe Spielermaterial dafür hatte er ja. Die Voraussetzungen waren also von Beginn an denkbar schlecht, wer sich in gemachte Nester setzt, merkt schnell, dass es ungemütlich wird, wenn an Rädchen, die unter dem Vorgänger ineinander gegriffen haben, geschraubt wird. So gesehen konnte Bjelica nur verlieren.

  • Arbeit auf dem Platz

Wer sich auf die Trainerbank der Austria setzt, sieht sich mit einer großen Herausforderung konfrontiert. Es reicht nicht, einfach nur zu gewinnen. Was das fußballerische angeht, ist das Durchschnitts-Veilchen ein Schöngeist. Nicht zuletzt FAK-Präsident Wolfgang Katzian widmete einen nicht unerheblichen Teil seiner Weihnachtsansprache diesem Thema. Es müsse „flutschen“, sagte er. Das hat es unter Bjelicas Anleitung allerdings selten bis nie. Wobei dem Ex-Coach in diesem Zusammenhang erschwerte Bedingungen zugestanden werden müssen. Aufgrund der Champions League – deren Erreichen unbestritten der größte Erfolg des Kroaten in Wien war – war die Zeit, um an taktischen Finessen zu feilen, aufgrund der vielen Spiele und entsprechend vielen Regenerationseinheiten sehr begrenzt. Dieses Argument verlor nach der Wintervorbereitung allerdings seine Gültigkeit – und die Spiele gegen Rapid und Wr. Neustadt ließen keinerlei Verbesserung erkennen. Unter der Ägide des Kroaten agierten die Veilchen nicht so ballbesitzorientiert wie unter seinem Vorgänger, viele Automatismen griffen nicht, einige Spieler bemängelten zudem immer wieder den fehlenden Plan B. Die passive Spielweise konnte in den internationalen Spielen aufgrund der großen Kompaktheit zwar einige (Teil-)Erfolge generieren, auf nationaler Ebene war sie allerdings ungeeignet. Hinzu kamen entbehrliche Fehler wie etwa in der Winterpause die Umstellung von Raum- auf Manndeckung bei Standardsituationen – mit drei Gegentreffern im Derby bekam Bjelica prompt die Rechnung dafür präsentiert. Dass einige Kicker mit der Trainingssteuerung nicht unbedingt zufrieden waren, immer wieder fehlende Spritzigkeit beklagten und sich öfter als sonst „kaputt“ fühlten, sei nur am Rande erwähnt. Ebenso, dass in Sachen Vorbereitung auf den Gegner nicht unbedingt viel Akribie an den Tag gelegt wurde.


  • Arbeit neben dem Platz

Bjelica machte von Beginn an einen großen Fehler – er verstellte sich. Aus Rücksicht auf die funktionierende Mannschaft gab sich der Kroate nicht von Beginn weg als der autoritäre Typ, der er eigentlich ist. Dass so etwas nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand. In diesem Fall ging es auf Dauer gehörig schief. „Es war ein schleichender Prozess mit einigen deutlichen Ausreißern“, sagt ein FAK-Profi. Einer davon war die Wutrede nach der Heimniederlage im Derby. Und die Geschehnisse der darauffolgenden Tage. Während ein Spieler völlig zurecht wegen einer groben disziplinären Verfehlung aus dem Kader geworfen wurde, durfte ein anderer im nächsten Spiel auflaufen, obwohl er in der Nacht nach dem Derby das Wiener Nachtleben unsicher machte und verspätet zum kurzfristig angesetzten Straftraining auftauchte. Der Kroate ließ also die nötige Konsequenz vermissen, um die vorgegebene „harte Linie“ auch wirklich glaubhaft durchziehen zu können. Es folgten immer wieder Dispute zwischen dem Coach und einzelnen Spielern. Öffentlich wurde jener mit Rubin Okotie, der Bjelica vor versammelter Mannschaft mangelnden Respekt vor Trainingsleistungen vorwarf. Nach dem Derby verschlimmerte sich die Lage abermals, Bjelica reagierte ob der Kritik am veränderten Verhalten bei Standardsituationen überaus verärgert. Bei der Ansprache in der Kabine nach dem 1:1 gegen Wiener Neustadt soll das zwischenmenschlich zerrüttete Verhältnis zwischen dem 42-Jährigen und einiger seiner Schützlinge endgültig in unkittbare Brüche gegangen sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Großteil der Mannschaft nach dem psychologisch exzellent arbeitenden Stöger mit der oft schroffen Art Bjelicas überhaupt nicht zurechtkam. Auch der Klub-Vorstand war von den öffentlichen Auftritten – neben der Wutrede vor allem die harte Kritik an den Schiedsrichterleistungen – seines Trainers nur wenig angetan, weshalb sich dieser in der Winterpause harscher Kritik stellen musste.

  • Fazit

Letztendlich kann die Zusammenarbeit zwischen Bjelica und der Austria als Missverständnis betrachtet werden. Dass der Kroate kein schlechter Trainer ist, hat er bei seinen vorherigen Klubs durchaus bewiesen und auch für den Einzug und – teilweise – die Auftritte in der Champions League muss man ihm Respekt zollen. Insgesamt hat er aber einfach nicht zur Austria gepasst. Von der Spielweise her nicht zu den Ansprüchen des Vereins, von der Menschenführung her nicht zu dem, was die aktuelle Mannschaft gebraucht hat. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass sich bei den Violetten Trainer wesentlich leichter tun, wenn sie den Klub und die Gegebenheiten im Umfeld schon vor ihrem Engagement bestens kennen.

Harald Prantl