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Böller-Wurf: Freispruch für FAK-Fan

Böller-Wurf: Freispruch für FAK-Fan

Wer am 28. August 2008 im Wiener Hanappi-Stadion beim Derby Rapid-Austria einen Feuerwerkskörper in Richtung des damaligen Rapid-Torhüters Georg Koch geschleudert und damit der Karriere des Sportlers vorzeitig ein Ende gesetzt hat, wird sich wohl nicht mehr klären lassen.

Ein mittlerweile 21-jähriger Austria-Fan, den die Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen zur Anklage gebracht hatte, war jedenfalls nicht der Täter.

"Schlimm, dass man so in Verdacht gerät"

Zu diesem Schluss ist am Mittwoch im Straflandesgericht Richterin Daniela Zwangsleitner gekommen, die den Verdächtigen freisprach und in ungewöhnlicher Schärfe die polizeilichen Ermittlungen rügte.

Der Kriminalbeamte, der in dieser Sache die Erhebungen getätigt und der Anklagebehörde in seinem Abschlussbericht den 21-Jährigen als Täter präsentiert hatte, habe in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme "keinen guten Eindruck hinterlassen", stellte Zwangsleitner fest. Es sei "schon schlimm, dass man auf diese Art und Weise in Verdacht gerät".

Zunächst kein fotogrammetrisches Gutachten

Rückblende: Nachdem im Sommer 2008 im Wiener Stadtderby bereits unzählige Gegenstände aus dem Sektor der Austria-Fans aufs Spielfeld geworfen worden waren, explodierte in der sechsten Spielminute in unmittelbarer Nähe des Rapid-Torhüters ein Böller.

Für den Keeper waren die Folgen fatal: Koch erlitt einen massiven Hörverlust am rechten Ohr in Verbindung mit einem Tinnitus. Damit verbundene anhaltende Gleichgewichtsstörungen und Schwindelgefühle sowie eine posttraumatische Belastungsstörung sorgten dafür, dass der Sportler in Folge von Berufsunfähigkeit seinen Vertrag mit Rapid einvernehmlich auflösen und im März 2009 seine Karriere beenden musste.

Wie die Polizei auf den angeblichen, zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alten Täter gekommen war, wurde erst im zweiten Rechtsgang erörtert: In einem ersten "Schnelldurchlauf" war der nunmehr 21-Jährige zwar ebenfalls freigesprochen worden, doch das Gericht verzichtete damals auf die Befragung des ermittelnden Kriminalbeamten und holte zunächst auch kein fotogrammetrisches Gutachten ein.

Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hob daher den Freispruch wegen Feststellungsmängeln auf und ordnete eine ergänzende Beweisaufnahme an.

Gerüchteweise gehört

Der Polizist legte nun im zweiten Rechtsgang dar, das Bild- und Videomaterial, anhand dessen er sich auf die Suche nach dem Übeltäter begeben hatte, sei "nicht überragend" gewesen.

Darauf war zwar in schwammiger Qualität zu sehen, dass der Knallkörper im Austria-Sektor gezündet wurde, ein Foto mit dem "vermeintlichen Werfer" taugte aber nicht zu dessen Ausforschung, zumal die Identität des Verdächtigen nicht feststand.

"Ich hab' mich daher in der Szene umgehört. Es war relativ negativ", gab der Polizist zu Protokoll. Schließlich kam ihm aber zu Ohren, dass ein junges Mädchen herumerzählt hatte, ihr Freund habe gerüchteweise gehört, ein damals 17-Jähriger, mit dem er gemeinsam die Schule besucht hatte, sei der Böller-Werfer gewesen.

Konfrontation in der Halbzeit

Daraufhin besuchte der Polizist mehrere Heimspiele der Austria, beobachtete den Freund des Mädchens und sah, wie dieser Ende September 2008 bei einem Match mit diesem 17-Jährigen in Streit geriet, der nach Einschätzung des Kriminalisten dem auf dem Foto Abgebildeten ähnlich sah.

Auf dieser Basis schnappte sich der Polizeibeamte in der Halbzeitpause den 17-Jährigen und konfrontierte ihn mit der Anschuldigung, im Hanappi-Stadion den Böller in Richtung des Rapid-Torhüters geschmissen zu haben.

Nach Darstellung des 17-Jährigen wies sich der Beamte in Zivil dabei zunächst nicht als Polizist aus. Als der Bursch den Vorwurf abstritt, lud ihn der Beamte zu einer Einvernahme vor, nachdem er sich als Gesetzeshüter zu erkennen gegeben hatte.

"Wir haben kein Gerät gehabt"

Diese Befragung fand erst am 22. Oktober 2008 statt. Das ihn angeblich belastende Material bekam der 17-Jährige dabei trotz entsprechender Bitte nicht zu sehen, "weil das technisch nicht möglich war. Wir haben kein Gerät gehabt", wie der Beamte nun der Richterin erklärte.

In seinem Abschlussbericht bezeichnete der Polizist den jungen Mann wiederholt und zweifelsfrei als "Täter". Dies deshalb, da "das Gesamte den Eindruck entstehen hat lassen, dass er es war. Eindeutig ist aufgrund dieses Materials nix genau", wie er vor Gericht bemerkte.

"Ein besseres Material hat es nicht gegeben"

Unerwähnt ließ der Polizist, dass er in seinem Bericht in nicht korrekter Weise suggeriert hatte, der damals 17-Jährige sei von seinem Ex-Schulkollegen explizit als Täter bezeichnet worden, obwohl die entsprechenden Angaben von dessen Freundin stammten und sich explizit auf Gerüchte bezogen hatten.

"Waren Sie bei Ihrem Abschlussbericht der Meinung, Sie haben den richtigen Täter?", wollte die Richterin klipp und klar wissen. "Ich war mit den Ermittlungen fertig", erwiderte der Polizist, "ich bin allem nachgegangen. Ein besseres Material hat es nicht gegeben. Ich habe das wertlos (gemeint war offenbar wertfrei, Anm.) der Staatsanwaltschaft mitgeteilt."

Kinnpartie und Ohrläppchen passen nicht

Diese klagte den mittlerweile 21-Jährigen an, ohne ein fotogrammetrisches Gutachten einzuholen. Das wurde erst während der Hauptverhandlung nachgeholt.

Das Ergebnis trug nun Richterin Zwangsleitner vor: Die Kinnpartie des mittlerweile 21-Jährigen passt nicht zu der jenes Mannes, der auf den Foto- und Videoaufnahmen zu sehen ist. Auch das rechte Ohrläppchen des 21-Jährigen weist eine andere Form auf. Laut Gutachten ist der 21-Jährige mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent nicht mit dem abgebildeten Verdächtigen ident.

Angesichts dieser Beweislage musste auch die Anklagebehörde den Freispruch akzeptieren. Die Staatsanwältin verzichtete auf Rechtsmittel, nach eineinhalbjähriger Prozessdauer muss der 21-Jährige strafrechtlich nichts mehr befürchten.