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Die Burgenländer Identifikationsfigur

Die Burgenländer Identifikationsfigur

Es war ein bitterkalter Abend am 25. November 2004 in der Ukraine. Die Austria hatte im UEFA-Cup gerade 0:1 gegen Dnjepropetrovsk verloren.

Aber Frenkie Schinkels hatte gewonnen. Und zwar Frank Stronachs Herz. Der Austria-Betriebsführer war von den Ausführungen des „Premiere“-Experten derart angetan, dass er ihm kurz darauf einen Job als FAK-Scout anbot.

Der zweite Gewinner dieses Abends – auch wenn ihm das zu diesem Zeitpunkt gewiss nicht bewusst war – hieß Franz Lederer.

Eigentlich hätte Schinkels nämlich seinen Platz auf der Betreuerbank des SV Mattersburg einnehmen sollen. Nach der Trennung von Mushin Ertugral war Lederer eine Woche zuvor vorübergehend in die erste Reihe gerutscht. Von Dauer sollte dieser Zustand jedoch nicht sein.

Zuerst der Hallencup, dann der Cheftrainer-Posten

Aber Schinkels erteilte den Burgenländern eine Ab- und den Wienern eine Zusage. Lederer durfte weitermachen. Ein bisschen zumindest. Nach Siegen gegen Bregenz (5:2) und Salzburg (2:1) sagte Obmann Martin Pucher: „Als Belohnung für seine Arbeit bleibt er bis nach dem Stadthallenturnier Trainer.“

Lederers erste Startelf

Ein 3:1 gegen den GAK und ein 2:1 gegen die Austria später war klar: Lederer wird den Zusatz „Interims“ vor seiner Bezeichnung als Trainer los, er erhält einen unbefristeten Vertrag.

Kurz darauf wird Pucher für seine Entscheidung mit dem Sieg beim Hallencup, einige Monate später mit einem guten fünften Platz in der Endabrechnung belohnt.

Burgenländer Identifikationsfigur

In weiterer Folge wird klar: Lederer ist genau der richtige Mann auf diesem Posten. Der mittlerweile 48-Jährige passt zum SVM wie die Faust aufs Auge, ist eine richtige Identifikationsfigur.

Das Publikum im Pappelstadion akzeptiert den ehemaligen Postbeamten als einen der ihren. Kein Wunder, schnürte er doch schon als Kind seine Fußballschuhe für den Verein, spielte später unterklassig in der Kampfmannschaft und war vor seinem Aufstieg dreieinhalb Jahre lang Co-Trainer.

Dass seine Mannschaft in der Bundesliga so lange besteht, ist eine durchaus erstaunliche Leistung. Große Sprünge sind auf dem Transfermarkt nämlich keine möglich, vielmehr werden junge Spieler aus der Umgebung selbst entwickelt. Mittlerweile in der eigenen Akademie.

Fuchs als Ausnahme

Dass kaum einer dieser Kicker danach eine große Karriere gemacht hat, ist Lederer nicht unbedingt anzulasten. Das liegt vielmehr daran, dass sich Obmann Pucher bei möglichen Transfers regelmäßig quer legt.

Ilco Naumoski, Michael Mörz oder Patrick Bürger hatten durchaus die Chance, bei namhafteren Vereinen unterzukommen. Die Notwendigkeit, sie abzugeben, wurde aber nicht gesehen.

Zudem nimmt sich Lederer nicht sonderlich wichtig, ist alles andere als ein Selbstdarsteller. Als ihn LAOLA1 anlässlich seines achtjährigen Jubiläums treffen will, sagt er kurzerhand ab, er habe angesichts der derzeitigen Misere seines Teams Besseres zu tun.

Star gibt’s keinen

Der Burgenländer will kein Star sein, schwänzt immer wieder die obligatorischen Pressekonferenzen nach dem Spiel und scheint sich oft nur widerwillig der Presse zu stellen.

Diese Philosophie spiegelt sich auch in seinem Team wider. Zwar hatte Lederer mit Didi Kühbauer in seiner Anfangsphase noch einen – für österreichische Verhältnisse – echten Superstar in seiner Mannschaft, mittlerweile steht aber ganz klar das Kollektiv im Vordergrund.

Damit ist der Coach gut gefahren. Obwohl es immer wieder eng wurde, konnte er mit den Mattersburgern stets die Klasse halten, schaffte es 2006 und 2007 sogar zwei Mal ins Cupfinale und folgerichtig auch in den Europacup.

Lederer verhalf Fuchs zum Durchbruch

Dass es auch anders geht, zeigt der Fall Christian Fuchs. Zwar hat der Linksfuß sein Bundesliga-Debüt schon vor Lederers Zeit als Chefcoach gefeiert, sobald dieser aber das Sagen hatte, wurde er zum Stammspieler. Heute ist der Linksverteidiger Stammspieler bei Schalke 04 und Kapitän des ÖFB-Teams.

Erwähnenswert ist auch, dass der SVM-Trainer ein gutes Händchen für „Problemkinder“ hat. Kaum ein anderer hätte derart viel Geduld mit Naumoski bewiesen. Und dass Cem Atan stark abgebaut hat, sobald er nicht mehr unter Lederer spielte, ist erwiesen.

Wenig Innovation, viel Kampf

Ebenso offenkundig ist, dass Lederer als Trainer weder für besonders sehenswerten Fußball, noch für taktische Innovation steht. Im Burgenland gilt das Credo, dass über den Kampf ins Spiel gekommen wird. Und er hielt länger als jeder andere Bundesliga-Trainer an einem Spielsystem mit Libero fest.

Dass keine Mannschaft so viele Fouls begeht wie der SVM ist statistisch nachweisbar. Dass die Konkurrenz die Mattersburger oft übertrieben zur „Holzhacker-Truppe“ hochstilisiert aber auch.

Nein, Lederer hat den Fußball nicht neu erfunden, das wird er auch in Zukunft nicht. Aber er tut genau das, was sein Verein braucht.

Jahr für Jahr stellt er eine schlagkräftige Truppe zusammen, die mehr oder weniger souverän die Klasse hält. Kein Gegner fährt gerne ins Pappelstadion – das ist nicht zuletzt der Verdienst des 48-Jährigen.

Seit acht Jahren sitzt Franz Lederer nun schon als Hauptverantwortlicher auf der Trainerbank des SV Mattersburg. Das war wahrlich nicht zu erwarten. Aber wenn es passt, dann passt es eben.


Harald Prantl