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From Hero to Zero: Die Problemfelder Rapids

From Hero to Zero: Die Problemfelder Rapids

Peter Schöttel spielte nie gerne an heißen Tagen. „Im Juli und August habe ich mich immer zurückgehalten, meine Zeit hat erst im September begonnen!“

Aber am Sonntag hätte sich der neue Rapid-Trainer bei Temperaturen jenseits der 30 Grad am liebsten selbst eingewechselt. So aber musste er entsetzt auf der Bank mitansehen, wie seine Mannschaft im 298. Wiener Derby gegen die Austria mit 0:3 unterging.

Ausgerechnet der Erzrivale führte die Hütteldorfer phasenweise vor, deckte grün-weiße Schwächen und Probleme schonungslos auf.

War nach der dritten Runde und Platz eins noch alles eitel Wonne im Westen Wiens, ziehen zwei Spieltage später dunkle Wolken über dem Hanappi-Stadion auf.

LAOLA1 hat Rapids Problemfelder analysiert und gemeinsam mit Trainer und Spielern aufgearbeitet.

Deni Alar ließ die besten Rapid-Chancen aus
DAS PROBLEMFELD CHANCENVERWERTUNG:

Das Runde muss ins Eckige, doch gerade auf diesem elementaren Gebiet läuft es bei Rapid in dieser Saison noch nicht rund. Das Derby war bereits das dritte Liga-Spiel in Folge ohne grün-weißes Tor. Das letzte datiert vom 23. Juli, als die beiden Treffer zum 2:0-Sieg in Wiener Neustadt allerdings auch erst in der Nachspielzeit gelangen. Für Schöttel ist die fehlende Kaltschnäuzigkeit der Hauptgrund für den Negativtrend: „Wenn wir nicht beginnen, endlich unsere Torchancen zu verwerten, wird es schwierig, mehr Sicherheit ins unser Spiel zu bekommen.“ Gegen die Austria durfte erstmals seit dem 2:0-Auftakterfolg gegen die Admira Deni Alar von Beginn an ran. „Deni hatte in der ersten Halbzeit auch vier schöne Chancen, sie aber leider Gottes nicht verwertet. Gegen eine im Moment so stark spielende Austria schaust du dann sehr schlecht aus“, so Schöttel. "Es läuft noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Ein Stürmer lebt von Toren und die fehlen mir noch", setzt sich Alar selbst unter Druck, "das darf mich aber nicht lähmen." Für Atdhe Nuhiu, mit zwei Toren immerhin bester Rapid-Stürmer, gab es bei seiner Auswechslung Pfiffe.

Hofmann nicht in Topform
DAS PROBLEMFELD STEFFEN HOFMANN:

Eine weit verbreitete Einschätzung in Hütteldorf lautet ungefähr wiefolgt: Spielt Steffen Hofmann super, spielt auch Rapid super. Das Problem, gerade im Derby: Der Kapitän spielt nicht super. „Ich sehe es auch so, dass in den letzten Jahren sehr viel von ihm abhängig war. Wenn er gut und fit war, war Rapid gut. Im Moment bemüht er sich sehr, kommt aber nicht so richtig in die Gänge“, bestätigt Schöttel, der noch keine fixe Position für den Deutschen gefunden hat. In den ersten Runden bisweilen im Zentrum aufgeboten, wurde er gegen die Veilchen aus taktischen Gründen wieder auf der rechten Seite nominiert. Die Überlegungen Schöttels gingen jedoch, nicht nur wegen Hofmann, alles andere als auf (siehe fehlende Geschlossenheit).  Doch auch der 30-Jährige erwischte nicht seinen besten Tag und wurde bereits in Minute 71 vom Feld geholt. Wenn, wurde er meist nur aus Standards gefährlich, wodurch sich auch der gute Wert von vier Torschüssen und sechs Torschussvorlagen erklären lässt. Alles andere als berauschend war indes die Passquote des für gewöhnlich ballsicheren Mittelfeldspielers von 66,7 Prozent – 16 gelungenen Pässen standen immerhin acht Fehlpässe gegenüber. Schöttel nimmt die gesamte Mannschaft in die Pflicht: „Es springt auch keiner für ihn ein. Wir müssen Steffen besser machen, und wir müssen alle rund um ihn besser machen. Er ist nach wie vor ein sehr wertvoller Spieler für uns.“

Der Plan, Pichler ins Mittelfeld zu stellen, ging nicht auf
DAS PROBLEMFELD DER MISSGLÜCKTEN TAKTIK:

Kurzum: Schöttels Taktik ging im Derby nicht auf. Eine Kritik, die sich vor allem auf die Besetzung des Mittelfelds bezieht. Die Strategie war, das Zentrum mit Stefan Kulovits und Innenverteidiger Harald Pichler zu stärken und so Austrias variable Kreativabteilung zu stören. Dafür wichen sowohl Hofmann (rechts) als auch Boris Prokopic (links), die beide in dieser Saison auch schon zentral spielten, auf die Seiten aus. „Die Idee war, dass wir mit Prokopic und Hofmann mehr Ballsicherheit in unser Spiel bekommen und mit Kulovits und Pichler die Angriffe der Austrianer, die sehr oft durch die Mitte kommen, besser unterbinden. Das ist uns überhaupt nicht gelungen“, gesteht Schöttel. Auch Pichler gibt zu: „Wir wollten der Austria-Offensive möglichst wenig Raum geben und sie in ihren Wegen einschränken. Das hat nicht funktioniert.“ Das hatte bittere Konsequenzen: Der defensive Grundgedanke ging nicht auf, das offensive Potenzial der beiden nominierten Sechser ist überschaubar groß. Die Angriffe sollten also über die Seiten vorgetragen werden, von dort kam jedoch nur wenig – auch weil Hofmann, wie schon in der Trainer-Ära von Peter Pacult, nicht den klassischen Flügelspieler abgibt, sondern gerne in die Mitte zieht. Unglaublich aber wahr: In Hälfte eins schlug Rapid keine Flanke, nicht eine einzige. Schöttel reagierte zur Pause, indem er die Doppel-Sechs auflöste, Christopher Drazan auf links brachte und Prokopic in die Mitte zog. Fest steht, dass Schöttel gerade im Mittelfeld noch nicht die ideale Mischung gefunden hat und in den ersten Runden viel experimentierte. Weh tut so gesehen auch, dass zwei potenziell wertvolle Alternativen durch Verletzungen bisher nicht oder nur kaum zur Verfügung standen: Guido Burgstaller und Thomas Prager.  Das sieht auch Schöttel so: „Wenn wir von Dynamik in unserem Offensivspiel reden, reden wir neben Alar auch von Burgstaller und Prager, der vom Tempo her schneller spielen kann als andere, die im Moment am Platz stehen. Trotzdem: Die anderen sind auch gute Fußballer, ihnen gelingt jedoch im Moment relativ wenig. Wir brauchen Erfolgserlebnisse.“

Schöttels Konzept braucht Zeit
DAS PROBLEMFELD DER FEHLENDEN ZEIT:

Apropos Erfolg: So schnell kann es gehen. Nach drei Runden ohne Gegentor auf Platz 1, zwei Niederlagen später zwar immer noch Vierter, aber doch merklich angeschlagen. „Ich habe immer gesagt, dass in diesem Verein in den letzten Monaten einiges passiert ist, dass wir immer noch aufarbeiten“, weiß der Trainer, dass es noch einige Zeit brauchen wird, bis sich Rapid so präsentiert, wie sich Schöttel das vorstellt. „Das geht nicht von heute auf morgen, wir sind noch in der Phase des Kennenlernens, und dieser Prozess braucht, auch wenn es die Fans nicht gerne hören, Zeit.“ Mit Yasin Pehlivan, Veli Kavlak und Tanju Kayhan haben drei Leistungsträger den Verein verlassen, insgesamt neun Spieler sind in der Sommerpause gekommen. Schritt für Schritt wollte der Rekord-Rapidler sein Team besser machen. Die Verunsicherung ist aber groß: „Ich habe schreckliche individuelle Fehler gesehen. Zum Beispiel als wir in Überzahl waren und uns trotzdem die Gegentore eingefangen haben.“ Also zwei Schritte zurück statt einer nach vorne, Rapid lechzt nach einem Befreiungsschlag. „Wenn man 0:3 gegen die Austria verliert, kann man nicht von einem Fortschritt sprechen“, ärgert sich Alar und Helge Payer versteht nicht, warum die Mannschaft nicht umsetzen konnte, was sie sich vorgenommen hat. „Wir waren wirklich schlecht, es ist einfach alles schiefgelaufen.“ Pichler, einer der neun Neuen, konnte der Niederlage zumindest ein bisschen etwas Positives abgewinnen. „Wir werden aus dem Derby lernen, unsere Schlüsse ziehen und noch enger zusammenwachsen.“

Die beleidigten Rapid-Fans prolongieren ihren Liebesentzug
DAS PROBLEMFELD FANS:

Helft euch selbst, sonst hilft euch keiner! Schöttel richtete in der Abschlussbesprechung vor dem Derby einen flammenden Appell an seine Mannschaft: „Ich habe den Spielern gesagt, dass uns im Moment sowieso niemand hilft, und dass wir in der Gruppe Leistung bringen müssen.“ Von den Fan-Gruppierungen gab es auch im Derby, sieht man von ein paar leisen Versuchen ab, keine „Leistung“. Also auch keine Stimmung im mit fast 32.000 Zuschauern gut gefüllten Happel-Oval. Nach dem 0:3 kam es zur großen grün-weißen Fan-(Ab-)Wanderung. Dabei hätte die Mannschaft einen Push vom zwölften Mann dringend benötigt. „Wir brauchen die Fans, vor allem wenn es nicht läuft“, hätte sich Alar speziell nach dem 0:1 mehr Support gewünscht. Kulovits wollte die Derby-Pleite nicht auf die „Streikenden“ schieben: „Wir werden uns sicher nicht auf die Fans ausreden, weil verantwortlich am Platz sind wir.“ Für den Trainer sind die Kapitel Fans und Stimmungs-Boykott mittlerweile leidige. „Die Situation ist, wie sie ist. Ich kann sie mittlerweile nicht mehr verstehen, aber ich kann sie auch nicht ändern.“ In den nächsten Tagen soll es weitere Gespräche zwischen Fanvertretern und dem Verein geben. Die aktive Fan-Szene, die zur Zeit geschlossen unter dem Namen „United we stand“ auftritt, hat aber auch intern jede Menge zu tun. Nach dem „Skandal-Derby“ ging viel zu Bruch, schreibt der Anhang in einem offenen Brief: „Langsam ist es an der Zeit, die aufgeworfenen Gräben wieder zu schließen.“

Mit einem Erfolgserlebnis gegen Red Bull Salzburg am nächsten Sonntag könnte zumindest der „Graben“ zwischen Mannschaft und Fans verkleinert werden.

„Wir wollen in Salzburg ein Zeichen setzen, da können wir viel wieder gutmachen“, weiß Kulovits. Auch Alar glaubt an den Befreiungsschlag bei den „Bullen“: „Wir wissen, dass wir dort überraschen können!“

Das weiß auch der Trainer: „Im Moment ist die Zuversicht nicht so groß, morgen wird sie wieder größer sein. Und irgendwann werden unsere Bälle auch reingehen, wir stabiler werden und wieder gute Spiele abliefern. Das kann ich versprechen!“

Peter Altmann/Stephan Schwabl