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"Wenn man Qualität Zeit gibt, führt dies zum Erfolg"

ÖFB-Kicker, die schon einige Jahre dem Nationalteam angehören, sind gebrannte Kinder.

Vor allem jene, die schon bei der letzten WM-Qualifikation mit von der Partie waren. Damals startete Österreich mit einem sensationellen 3:1-Sieg gegen Top-Favorit Frankreich.

Letztlich eine wertlose Sensation, da man in den beiden folgenden Spielen Litauen (0:2) und die Färöer (1:1) nicht besiegen konnte – der Anfang vom Ende der Teamchef-Ära von Karel Brückner.

Deshalb wird György Garics auch nicht müde zu betonen, dass die Öffentlichkeit den emotionalen Schlager mit Deutschland nicht überbewerten sollte.

Die Mannschaft sieht der Rechtsverteidiger durch inzwischen teils jahrelange Erfahrung ihrer Mitglieder im Ausland jedoch weiter als damals, ebenso die Strukturen im ÖFB.

Dieser geht mittlerweile mehr auf die Wünsche der Spieler ein, wie der Bologna-Legionär im LAOLA1-Interview erklärt:

LAOLA1: Wie zuversichtlich bist du im Hinblick auf das Deutschland-Spiel?

György Garics: So zuversichtlich, wie man es auch sein muss, um ein gutes Spiel abliefern zu können. Wir wissen ganz genau, gegen wen wir spielen. Aber wir werden uns sicherlich nicht verstecken. Es ist sicher nicht so, dass wir schon als Verlierer ins Spiel gehen, aber es ist auch nicht so, wie es die Öffentlichkeit ein bisschen sehen will. Man muss schon mit Respekt ins Spiel gehen, aber ohne Angst.

LAOLA1: Wie will es die Öffentlichkeit sehen?

Garics: Wir wissen natürlich, welche Qualitäten die Deutschen haben, wir wissen aber auch, welche Qualitäten wir haben. Wenn wir unseren besten Tag erwischen und die Deutschen eventuell einen schlechteren, dann ist durchaus einiges drinnen. Aber ich möchte es jetzt nicht in eine Richtung treiben, wie es zuletzt vielleicht die Presse und die Öffentlichkeit probiert haben, dass wir jetzt Sensationelles schaffen müssen. Das glauben viele, weil wir 2012 – auch gegen gute Gegner - einige gute Spiele abgeliefert und ein paar kleine Schritte nach vorne gemacht haben. Wir haben sicherlich das Zeug, dass wir gegen die Deutschen mithalten können, wir sind sicher imstande, ein gutes Spiel zu liefern. Es ist aber nicht so, dass die Welt untergeht, wenn wir gegen die Deutschen nicht gewinnen sollten. Es geht um drei Punkte – holst du sie, heißt es nicht, dass du dich bereits qualifiziert hast, verlierst du, bist du noch nicht draußen. Es ist nur ein Teil der großen Strecke, die wir vor uns haben.

LAOLA1: Ist es typisch österreichisch, dass die Erwartungshaltung vor solch einer Partie in der Vorbereitung von Tag zu Tag steigt?

Garics: Nein, das gibt es überall. Vor allem wenn du gegen die Großen spielst, ist es meistens so, dass die Spannung steigt. Jeder möchte ein gutes Resultat erzielen. Aufgrund der guten Leistungen, die wir heuer gebracht haben, ist das ja auch irgendwo normal. Dennoch: Es ist ja nicht so, dass wir gegen elf Blinde spielen, sondern gegen elf super Fußballer. Man darf jetzt nicht den Fehler machen, dass man sich von diesem einen Spiel zu viel erwartet. Wir wollen natürlich gut starten, aber die Qualifikation besteht aus zehn Spielen und nicht aus einem gegen Deutschland.

LAOLA1:Teamchef Koller hat in den vergangenen Monaten Schritt für Schritt mich euch gearbeitet. Kannst du skizzieren, wo Fortschritte gelungen sind?

Garics: Wenn man das Einfachste hernimmt, sind es die Resultate. 2012 vier Spiele, drei Siege, ein Unentschieden und eigentlich immer eine solide Leistung abgerufen – und das auch gegen gute Gegner. Daran kann man es am besten messen. Ich möchte nicht spezifisch darauf eingehen, aber wir alle wissen, dass etwas im Entstehen ist. Es ist nicht so, dass etwas entstehen könnte, sondern dass etwas im Entstehen ist. Wir haben sehr viele gute junge Spieler, dazu Spieler, die schon länger bei ausländischen Vereinen spielen, inzwischen einiges an Erfahrung haben. Die brauchen wir auch auf internationaler Ebene. Vielleicht ist es jetzt endlich wirklich so weit, dass wir Spieler drinnen haben, die Woche für Woche ihre Leistung in Top-Ligen abrufen. Das ist dann natürlich auch für das Nationalteam ein Vorteil.

LAOLA1: Ist die ruhige und strukturierte Art Kollers genau das, was dieser Spieler-Pool braucht? Es gibt keine dauernden Kurswechsel, sondern eine straighte Linie…

Garics: Das Wichtigste ist Kontinuität! Ich nehme als Beispiel gerne Uruguay her. Das ist eine „unbekannte“ Mannschaft gewesen, hat vor fünf Jahren mit ihrem Teamchef zu arbeiten angefangen und in den letzten zwei, drei Jahren wirklich die Früchte geerntet. Bei der WM sind sie Dritter geworden, danach haben sie die Copa America gewonnen. Daran sieht man: Wenn man Qualität Zeit gibt, kann dies zum Erfolg führen. Das Schwierigste im Fußball ist Kontinuität.

LAOLA1: Das konnte man beim Nationalteam in den vergangenen Jahren beobachten…

Garics: Vor vier Jahren haben wir zum Beispiel nach der EM die WM-Quali mit einem sensationellen Sieg gegen Frankreich begonnen. Drei Tage später fahren wir nach Litauen und verlieren. Genau deshalb meine Argumentation vorhin wegen des Deutschland-Spiels. Es bringt nichts, ein tolles Spiel gegen Deutschland abzuliefern und in einem Monat fahren wir nach Kasachstan und holen die Punkte nicht. Das Schwierigste ist ein gewisses Niveau und eine Ebene zu erreichen, wo du imstande bist, wirklich bei jedem Länderspiel die Leistung abzurufen. Gegen kleinere Gegner muss unsere Qualität inzwischen reichen, dass wir von zehn Spielen auch acht gewinnen – und gegen die Großen kann dieser Level eventuell für eine Sensation reichen oder einen Punkt.

LAOLA1: Also die Politik der kleinen Schritte?

Garics: Es ist nicht so, dass du von einem Tag auf den anderen Spieler in die Mannschaft bringst und sofort Erfolg hast. Das ist im Klub-Fußball bei den Top-Vereinen ja auch so. Schauen wir uns als Beispiel Paris St. Germain an. Die haben groß eingekauft und in den ersten drei Spielen nur drei Mal Unentschieden gespielt.  Durch Geld und schnelles Handeln wirst du sicherlich nicht zum Erfolg kommen. Das braucht Zeit, auch wenn man weiß, dass im Fußball wenig Zeit da ist. Aber wenn die Unterstützung des ÖFB da ist, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass mit dem heutigen Potenzial wirklich etwas rauskommen kann. In den nächsten Jahren befinden sich die Spieler im besten Alter, um die besten Leistungen abrufen zu können.

LAOLA1: Die Zeit ist das eine, die Strukturen sind das andere. Von dir war das Zitat zu lesen, dass euch der ÖFB nun mehr Wünsche erfüllt. Kannst du das konkretisieren?

Garics: Es sollte nicht so klingen, dass der ÖFB bisher nichts gemacht hat – das ist ja nicht der Fall, das stimmt so genauso nicht. Was ich gemeint habe, ist, dass der ÖFB jetzt verstanden hat, dass gewisse Dinge sehr wertvoll und wichtig sind, damit man positive Resultate erzielen kann. Da geht es um Kleinigkeiten, zu denen früher vielleicht sofort Nein gesagt wurde. Oder wir haben darüber gesprochen, und es ist dann nichts daraus geworden. Heute wird vielleicht mehr abgewogen und dann nach Rücksprache entschieden, ob es Sinn für uns hat oder nicht. Das sind so kleine Zeichen, die du von Seiten des ÖFB bekommst, für uns Spieler ist das natürlich sehr wichtig. Denn nachdem viele von uns teilweise schon Jahre auf einem hohen Level im Ausland spielen, wissen wir, dass wir bei unseren Vereinen bestimmte Kriterien erfüllt bekommen. Wenn du das beim ÖFB auch bekommst, hast du erstens keine Ausrede und kannst zweitens das Potenzial voll ausschöpfen und hoffentlich die beste Leistung bringen.

LAOLA1: Inwiefern ist die Mannschaft diesbezüglich auch erwachsener und mündiger geworden. Viele sind schon einige Jahre im Nationalteam, haben im Ausland einiges gesehen. Muss da auch von euch mehr kommen?

Garics: Natürlich muss mehr kommen. Egal ob ich oder andere von uns, ob zum Beispiel ein Jüngerer wie Julian (Baumgartlinger, Anm.d.Red.), der seit zwei Jahren in Deutschland ist, oder ein anderer wie der „Pogerl“ (Emanuel Pogatetz; Anm.d.Red.), der schon seit Ewigkeiten herumreist. Wenn du deine Leistung in Top-Ligen Woche für Woche abrufst, musst du das bei der Nationalmannschaft genauso machen können. Dann wirst du natürlich auch der Mannschaft helfen können.

LAOLA1: Kommen wir noch kurz zu Bologna. Mit zwei Niederlagen in den ersten beiden Spielen habt ihr einen Fehlstart hingelegt. Wie ordnest du die Situation ein?

Garics: Wir sind vergangene Saison noch schlimmer gestartet, haben aus fünf Spielen einen Punkt geholt. Dann hatten wir einen Trainerwechsel, haben uns ein bisschen erfangen, aber ganz gut ist es erst ab Jänner gelaufen. So schlimm schaut es aktuell nicht aus. Sicher tut es weh, wenn du nach zwei Spielen mit null Punkten dastehst, und die Länderspiel-Pause kommt vielleicht nicht so gelegen. Wir hätten es lieber gehabt, wenn wir diese Resultate gleich in der Woche darauf hätten ausbessern können. Aber die Meisterschaft dauert ja noch lange genug.

LAOLA1: Du bist gegen Chievo ausgewechselt worden und gegen Milan auf der Bank gesessen. Wie schätzt du deinen Stellenwert ein?

Garics: Ich habe mit dem Trainer und den anderen Verantwortlichen im Verein schon vor der Vorbereitung gesprochen. Sie haben mir gesagt, dass sie mich auf keinen Fall gehen lassen. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, eventuell zu wechseln, aber der Trainer hat darauf bestanden, dass ich bleibe. Das ist natürlich sehr positiv. Normalerweise bist du irgendwo enttäuscht, wenn du im zweiten Spiel nicht dabei bist, aber wir haben 33 Mann im Kader, von dem her kann es durchaus passieren, dass du vielleicht einmal nicht dabei bist. Das passiert in Österreich oder Deutschland genauso. Daher mache ich mir keine Sorgen, denn ich weiß, dass der Verein und der Trainer hinter mir stehen.

Das Gespräch führte Peter Altmann