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Super Bowl mit viel Licht und 36 Minuten Schatten

Super Bowl mit viel Licht und 36 Minuten Schatten

Eines ist klar, die Super Bowl XLVII bleibt unvergessen.

In erster Linie für die Baltimore Ravens, weil sie sich gegen die San Francisco 49ers mit 34:31 durchsetzten und zum zweiten Mal in ihrer Franchise-Geschichte den Titel sicherten (Spielbericht).

Aber auch für alle anderen, die den Showdown in New Orleans entweder im Superdome selbst oder vor den TV-Schirmen in aller Welt mitverfolgt haben. Denn das Endspiel der NFL war ein Spektakel.

Lange schien es so, als würden die Ravens diese Super Bowl sicher nach Hause fahren. Doch nach der Pause aufgrund eines Stromausfalls entglitt ihnen die Partie völlig, am Ende reichte es dennoch.

John besiegt Jim

„Ich denke, das spricht für unsere Entschlossenheit, unsere mentale Stärke“, hielt Head Coach John Harbaugh nach seinem ersten Super-Bowl-Sieg fest. Nachdem er ausgerechnet Bruder Jim besiegte.

Dieser war schon vor dem Ende des historischen Duells – noch nie standen sich zwei Brüder als Head Coaches in der Super Bowl gegenüber – mächtig sauer, nämlich dass beim letzten Versuch seiner 49ers-Offense in der letzten Minute eine vermeintliche Strafe (Halten, Anm.) nicht gegeben wurde.

„Das ist überhaupt keine Frage, dass da erst eine Passbehinderung und dann ein Halten war“, so der 15 Monate jüngere Bruder nach der ersten Super-Bowl-Niederlage der San Francisco 49ers (5-1).

Gesprächsstoff bietet die 47. Ausgabe des „Big Games“ genug, LAOLA1 beleuchtet die Top-Themen:

Mit einem Super-Bowl-Sieg in die Pension
  • RAY LEWIS

„Wenn Gott auf deiner Seite ist, wer kann dann gegen dich sein?“ – mit dieser (unüberraschenden) Aussage beantwortete der gottesfürchtige Superstar die erste an ihn gestellte Frage auf dem Podium. Lewis hat es tatsächlich geschafft, er beendet seine Karriere nach 17 Saisonen mit einem Super-Bowl-Sieg. Seinem zweiten nach 2001. Der Linebacker ist der einzige Raven, der als Spieler zwei Ringe sein Eigen nennen darf. Seine „letzte Fahrt“, wie er die letzten Partien bei der Verkündung seines Rücktritts vor den Playoffs nannte, wurde zu einer unglaublichen Reise für den Verteidiger. „Die finale Serie der Karriere von Ray Lewis war ein Goal-Line-Stand (Aufhalten kurz vor der Endzone, Anm.)“, hielt sein Coach treffend fest. Der Protagonist, der auf sieben Tackles kam, teilte seine Freude: „Es gibt keinen besseren Weg für einen Champ, als mit jenen Jungs die letzte Fahrt zu bestreiten, mit denen ich sie bestritt – meinen Teamkollegen.“ Dazu gehört Ed Reed, dem auch das Karriereende in den Mund gelegt wurde, aber der nach dem Triumph festhielt: „Das Gefühl ist unglaublich, es gibt kein besseres. Ich bin dankbar. Das war es noch nicht. Ich bin noch nicht fertig“, so der 34-Jährige, der in seiner Heimatstaat Champ wurde. Der Star-Safety fing im Endspiel einen Pass von 49ers-QB Colin Kaepernick. Receiver Torrey Smith wird definitiv weiterspielen, aber für den Receiver war es ebenfalls ein emotionaler Abschluss einer Saison, in der er seinen Bruder nach einem Motorradunfall verlor.

Der neue Super-Bowl-MVP
  • JOE FLACCO

„Er ist aktuell der beste Quarterback im Football“, sagte der Teamkollege von Joe Flacco, Ray Rice, nach dem Spiel. Flacco selbst betonte im vergangenen Jahr, das zu sein. Nach der Performance in dieser Postseason sind die Kritiker, die über diese Aussage lachen, sicherlich weniger geworden. Elf Touchdowns und null Interceptions stehen am Ende der Postseason und bedeuten Rekord. Der 28-Jährige, der noch keine Saison nicht in den Playoffs stand, stellte ausgerechnet jenen von 49ers-Legende Joe Montana ein. Flacco erzielte in der ersten Hälfte drei Touchdowns und durfte sich bei seinen in toller Form befindlichen Receivern bedanken, die in engen Momenten den Ball zu fangen wussten. Anquan Boldin durfte in seiner zweiten Super Bowl (zuvor mit Cardinals gegen Pittsburgh) erstmals jubeln. So wie Flacco, der zum Most Valuable Player der Super Bowl ausgezeichnet wurde. „Wir haben den Leuten ein ziemlich gutes Spiel geliefert“, wusste Flacco, der am Ende nicht mehr daran glaubte. „Ich bin gesessen und habe mir gedacht, keine Chance, dass wir sie stoppen. Aber wir haben es getan“, so der Playoff-Könner, der mit Ende der Saison vertragslos ist. „Ich bin ein Leben lang ein Raven. So ist das, wie ich es sehe“, macht sich Flacco keine Sorgen über eine Einigung mit seinem aktuellen Team. Nun hat er auf jeden Fall viele Befürworter mehr, einer stand immer schon hinter ihm, Ray Lewis: „Ich bin ein Joe-Flacco-Fan. Schon immer gewesen. Was er heute geleistet hat, das ist, was wir immer sehen.“ Nun kann „Joe Cool“ wirklich total entspannt sein.

Und plötzlich war das Licht aus
  • STROMAUSFALL

Von High-Light kann hier eigentlich nicht gesprochen werden, Low-Light trifft es schon eher – No-Light wahrscheinlich am besten. Kurz nach dem Jones-Rekord zu Beginn der zweiten Hälfte gingen in New Orleans einfach die Lichter aus. Nur die Notbeleuchtung blieb an, sonst war es dunkel in der Halle. Eine „angezeigte Abnormalität im System“ hätte laut Betreiberfirma das Herunterschalten bewirkt, Terrorismus und Feuer wurden auch danach ausgeschlossen. Die Verantwortlichen entschuldigten sich für die peinliche Unterbrechung während der zehnten Super Bowl in „The Big Easy“, der siebten im Dome. „Es war ein unglücklicher Moment in einer ansonsten leuchtenden Super-Bowl-Woche für New Orleans. Ich erwarte mir einen vollständigen Bericht von allen Seiten, die involviert waren“, erklärte Bürgermeister Mitch Landrieu nach dem in einer Super Bowl noch nie da gewesenen Verspätung von 36 Minuten. Die kam den 49ers absolut zur rechten Zeit. Nach dem 28:6 durch Jones waren die Kalifornier schon in der Kiste, das Momentum ganz weit weg. Baltimores Reed spürte es: „Wir haben darüber gesprochen, dass sie es uns wegnehmen wollen. Als wir darüber gesprochen haben, war es auch schon passiert.“ Tatsächlich ging den 49ers ein Licht auf, binnen 4:10 Minuten machten sie 17 Punkte gut und hatten bis kurz vor Ende Siegchancen, ehe das Licht komplett ausging.

Jacoby Jones lief allen davon
  • REKORDE

Super Bowl XLVII war dank des Stromausfalls die längste der Geschichte. 4 Stunden 14 Minuten dauerte sie insgesamt. Es war dies nicht der einzige Rekord, den diese Super Bowl aufgestellt hat. Der Kickoff-Return-Touchdown von Baltimores Jacoby Jones für 108 Yards war der längste Score in einem NFL-Endspiel. „Ich habe einfach nur das Licht gesehen und bin ihm entgegengelaufen“, hielt Jones fest, was er in diesem Moment sah. Wenig später war es pikanterweise dunkel in der Halle. Apropos Jones, der Receiver und Returner in Personalunion schaffte mit insgesamt 290 Yards (Return 234, Receiving 56) so viele wie noch keiner in dieser Addition.  Zudem konnten beide Teams gemeinsam so viele Return-Yards (312/BAL 206, SF 106) wie noch nie erlaufen. Einen alleinigen Rekord konnten die 49ers ebenso verbuchen, nämlich in Person von Colin Kaepernick. Der Quarterback, der als erster 49ers-Spielmacher eine Super Bowl verlor (Bilanz 5:1), erlief bei der fast geglückten Rekord-Aufholjagd (nie konnte ein Team in der Super Bowl mehr als zehn Punkte aufholen, es wären 22 gewesen) einen 15-Yards-Touchdown. Kein Spielmacher sorgte zuvor für einen längeren Rushing-TD im Big Game. Das tröstete den 25-Jährigen, der während der Saison das Ruder übernahm, auch nicht. Wie schon im Championship Game, als die 49ers nach verschlafenem Start 0:17 hinten lagen, führte sie der wurf- und laufgewaltige Antreiber zurück. Doch der letzte Pass kam im wahrsten Sinne des Wortes nicht an. „Wir haben einfach unsere Drives nicht fertiggespielt“, so ein geknickter neuer Rekordhalter.

Jim (r.) gratulierte seinem Bruder John Harbaugh
  • BRUDERDUELL

„Es ist sehr hart. Es ist viel härter, als ich dachte, wie es sein würde. Es ist sehr schmerzhaft.“ John Harbaugh konnte in der Stunde seines größten Erfolges nicht ausschließlich lachen. Schließlich galt es einen Verlierer in der Familie zumindest ein wenig zu trösten, seinen Bruder und Head-Coach-Kollegen Jim. Beide trafen sich nach Spielende in der Mitte des Spielfeldes. „Ich sagte ihm, dass ich ihn liebe. Er sagte: Gratuliere“, beschrieb John nachher das Aufeinandertreffen, das es natürlich auch schon vor dem Spiel gab und das die Eltern Jackie und Jack von oben sahen. Nichtsdestoweniger konnte sich John natürlich auch freuen. „Wie glaubst du, dass es sich anfühlt? Es fühlt sich an, wie man es sich vorstellt: Großartig!“ Jim war freilich am Boden zerstört, gab anfangs dem Super-Bowl-Broadcaster CBS kein Interview, um es wenige Minuten später doch zu tun und haderte mitunter wie oben erwähnt mit den Referees. Nichtsdestoweniger wollte er die Football-Welt wissen lassen: „Wir werden Klasse zeigen. Denn wir hatten mehrere Möglichkeiten und haben nicht gut gespielt. Unsere Jungs haben sich zurückgekämpft und wir haben um den Sieg gerungen.“ Dieser ging an die Ravens, doch blieb er in der Familie. Wohl in den ersten Stunden nach der Niederlage ein sehr schwacher Trost. Wie die Tatsache, dass die Super Bowl XLVII als spektakulärste der jüngeren Geschichte eingeht.

 

Peter Altmann