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Evans löst sich vom Image des "ewigen Zweiten"

Evans löst sich vom Image des

Drei Wochen der Qual, der Leiden und der totalen Hingabe haben sich ausgezahlt.

Cadel Evans steht vor der Erfüllung eines Lebenstraumes, nur noch 95 Kilometer trennen ihm vom Gewinn der 98. Tour de France.

Dank einer exorbitanten Zeitfahr-Performance, die ihm Platz zwei in der Tageswertung hinter dem Deutschen Tony Martin (HTC-Highroad) einbrachte, zog er an Fränk und Andy Schleck vorbei und knöpfte dem jüngeren der beiden Brüder das Gelbe Trikot des Gesamtführenden ab.

Vor der „Tour d’Honneur“, die traditionell auf der Avenue des Champs Élysées in Paris endet, liegt der Kapitän des BMC-Racing-Teams 1:34 Minuten vor Andy und 2:30 Minuten vor Fränk Schleck. Nur noch ein Sturz kann ihn vom größten Erfolg seiner Karriere abhalten.

Gedanken beim verstorbenen Trainer

Ein Erfolg, den er zu einem gewissen Teil einem Mann zu verdanken hat, der nicht mehr unter uns weilt. Aldo Sassi, sein langjähriger Trainer, verstarb im Dezember vergangenen Jahres an einem Gehirntumor, der Italiener wurde nur 51 Jahre alt.

Evans dachte nach dem Zeitfahren sofort an Sassi. „Im letzten Jahr sagte mir Aldo: Du hast die Weltmeisterschaften gewonnen und in deiner Karriere fast alles erreicht. Du kannst noch eine Rundfahrt gewinnen. Ich hoffe für dich, dass es die Tour de France sein wird.“

Er habe immer an ihn geglaubt und nie an seinen Fähigkeiten gezweifelt. „Er hat mich nie aufgegeben und mit mir die guten, aber auch schlechten Zeiten durchlebt.“ Damit gehörte er zu einer kleinen Gruppe, denn nur wenige glaubten noch an die Krönung in Evans‘ Karriere.

Schleck zum dritten Mal Zweiter

Ein Umstand, der auch seinem härtesten Konkurrenten größten Respekt abringt. „Cadel fuhr das Zeitfahren seines Lebens, er verdient es, die Tour zu gewinnen“, so Andy Schleck. Der 25-Jährige gerät indes immer mehr in die Rolle, die Evans jahrelang verfolgte.

Zum nunmehr dritten Mal en suite droht ihm der zweite Platz in Paris, der Ruf des „ewigen Zweiten“ könnte ihm bald vorauseilen. „Es ist auf gewisse Weise enttäuschend, aber wenn man sich die Größe und Wichtigkeit der Tour vor Augen führt, ist es eine echte Ehre, Zweiter zu sein. Vor allem, wenn der eigene Bruder mit auf dem Podest steht.“ Eine weitere Premiere, denn auch das gab es bei der „Großen Schleife“ noch nie.

Kein Bedauern, dafür Stolz

Zwar bewies Andy einerseits wieder einmal sein Ausnahmetalent in den Bergen, andererseits taten sich auch Schwächen hervor, die sich ein Tour-Gewinner nicht erlauben darf.

Wie sein älterer Bruder ist er beileibe kein Top-Abfahrer, wenn es bergab ging verloren sie mehrfach den Anschluss an Evans oder auch Sammy Sanchez und Alberto Contador. Zudem ist das luxemburgische Brüderpaar im Zeitfahren weit von der Spitze entfernt.

Andy glaubt dennoch, sich nichts vorwerfen zu müssen. Er und Fränk hätten demnach noch nie ein besseres Zeitfahren bestritten, „allerdings war es nicht gut genug. Wir müssen aber nichts bedauern. Wir sind stolz und glücklich.“

Nach drei Wochen der Qual, der Leiden und der totalen Hingabe haben sie – wie auch alle anderen Teilnehmer, die noch im Rennen sind – jede Berechtigung dazu.

 

Christoph Nister

Zweimal hauchdünn gescheitert

Viele Jahre galt er als Mitfavorit, am Ende jubelten aber stets andere. Gleich zwei Mal, 2007 und 2008, schrammte der ehemalige Mountainbiker, der 2001 und 2004 die Österreich Rundfahrt für sich entscheiden konnte, haarscharf am Gesamtsieg vorbei.

2007 fehlten ihm lediglich 23 Sekunden auf den Thron, 2008 waren es 58 Sekunden. Ein Hauch von Nichts, wenn man bedenkt, dass die Profis rund 3.500 Kilometer durch ganz Frankreich pedalieren.  Diesmal ist das Glück auf Evans‘ Seite.

„Ich hatte in den letzten zehn Jahren schwere Momente, aber das macht die guten Momente umso besser“, so der Ex-Weltmeister, der sich als erster Australier in der 108-jährigen Geschichte als Sieger der Tour de France verewigen wird.

Ausnahmezustand in Australien

Mit 34 Jahren, 5 Monaten und 10 Tagen rollt Evans am Sonntag nach Paris. Nur Firmin Lambot (BEL/36 Jahre, 4 Monate) und Henri Pelissier (FRA/34 Jahre, 6 Monate) waren älter.

In seiner Heimat herrscht seit Tagen Ausnahmezustand, Down Under ist im Tour-Fieber. Tausende Fans versammelten sich zum Public Viewing in Melbourne, Tausende waren in Frankreich an den Straßenrändern, um ihren Liebling vor Ort anfeuern zu können.

Parlamentsmitglied Ed Husic twitterte gar: „Ich will einen nationalen Cadel-Evans-Tag.“ „Niemand verdient es mehr“, behauptete Melbournes Bürgermeister Robert Doyle.

In der Tat hat es sich der Australier redlich verdient, endlich ganz oben stehen zu dürfen. Mit Beginn der „Grande Boucle“ war er stets präsent. Schon in der ersten Woche ließ er seine tolle Form aufblitzen.

Von Beginn an voll fokussiert

Zunächst wusste er mit seiner Equipe im Teamzeitfahren zu überzeugen und beendete dieses hinter Garmin auf Platz zwei. Auf der vierten Etappe dann das nächste Highlight: Evans duellierte sich mit Alberto Contador an der Mur de Bretagne und hatte das bessere Ende für sich. Es sollte sein zweiter Etappensieg bei der Tour werden.

Auch in den Bergen blieb der Routinier wachsam, hatte seine Kontrahenten immer im Blick und untermauerte seine Ambitionen. Aufgrund der Abfahrtsschwäche der Schlecks holte er zwischen Pyrenäen und Alpen einen Zeitvorsprung heraus, den er in den Alpen wieder aufbrauchte.

Schlussendlich sollte der Kampf gegen die Uhr entscheiden, Evans wurde endlich seiner Favoritenrolle gerecht und steht nun an der Pforte zum Radsport-Olymp.