news

Denkzettel für Judo-Präsidenten Kutschera

Denkzettel für Judo-Präsidenten Kutschera

2012 ist ein Super-Wahljahr. Nicht gewusst? Die Rede ist aber nicht von der hohen Politik, sondern von den Sport-Fachverbänden.

Mit Ablauf einer Olympiade bekommen die Vorstände die Rechnung für die Arbeit der vergangenen vier Jahre präsentiert. Bevor am 15. September bei der Wahl des Schwimmverbands erwartungsgemäß die Fetzen fliegen werden, stimmten knapp eine Woche zuvor die heimischen Judoka über ihre Führung ab. Und das nicht minder spektakulär.

Der bisherige Präsident Hans-Paul Kutschera bekam nach acht Jahren einen Denkzettel verpasst: Obwohl sich kein Gegenkandidat fand, brachte es der Mediziner gerade einmal auf 38,64 Prozent Zustimmung. Für eine Bestätigung im Amt wären allerdings 50 Prozent plus eine Stimme notwendig gewesen.

Fehlende Rechnungsprüfung

Das vier Jahre dauernde Mandat des scheidenden ÖJV-Vorstands endet mit 17. Oktober. Um bei einem neuerlichen Wahlgang einen neuen Vorstand zu finden, wurde für den 14. Oktober eine weitere außerordentliche Generalversammlung anberaumt.

Für Unruhe sorgte eine fehlende Rechnungsprüfung des Jahresabschlussberichtes, wodurch der Vorstand nicht entlastet werden konnte. Dies führte dazu, dass die gesamte Sitzung unter Protest des Wiener Verbands-Präsidenten Ernst Raser über die Bühne ging.

„Die Entlastung des Vorstands ist mehr oder weniger nur ein Formalakt“, versuchte der von Kutschera geholte Rechtsanwalt Dr. Christian Freilach zu beruhigen. Der Experte erklärte auch, dass die Entlastung lediglich bei einer ordentlichen Generalversammlung notwendig sei. Raser ließ sich damit aber nicht abspeisen, kündigte indes die Einleitung rechtlicher Schritte an.

Warum die ÖJV-Führung anstatt eine Rechnungsprüfung, die im ÖJV eine bislang gelebte Praxis war, vorzulegen, lieber ein juristisches Nachspiel in Kauf nimmt, darauf muss sich jeder selbst einen Reim machen.

Eingeschüchtert?

Kutschera machte unmittelbar nach der Wahl-Schlappe einen gezeichneten Eindruck. Zumal die Deutlichkeit der Niederlage aufgrund der öffentlichen Abstimmung – ein Antrag auf eine geheime Stimmenabgabe wurde kurzfristig zurückgezogen – so nicht zu erwarten war.

Für LAOLA1 stand er im Anschluss nicht einmal für Auskünfte bereit. Werden Sie am 14. Oktober noch einmal antreten? „Das kann ich jetzt noch nicht sagen“, meinte der kurz angebundene Funktionär und zog sogleich besagten Anwalt zu sich heran, um uns alsbald zweimal (!) eindringlich auf die Berufung des Mannes hinzuweisen. Fühlte er sich durch unsere Fragestellung etwa in die Ecke gedrängt? Wir hakten noch einmal nach:

Kutschera wehrte neuerlich ab. „Ich habe jetzt keine Zeit, ich muss gleich wieder in die Klinik“, sagte er und wandte sich zu seinem Rechtsbeistand: „Das darf ich doch sagen?“ Freilach nickte, woraufhin sich Kutschera zu einer Besprechung mit seinen Vorstandsmitgliedern zurückzog. Das Verhalten des Spitzenfunktionärs spricht wohl Bände.

Wagt er es noch einmal?

Ob sich Kutschera nach diesem doch sehr klaren Misstrauens-Bekenntnis gegen seine Person noch einen Wahlgang antut, wird von etlichen Insidern bezweifelt.

Auszuschließen ist dies aber freilich nicht, alleine schon deshalb, weil sich bislang noch kein Gegenkandidat aus der Deckung gewagt hat.

Womit der Ball auch bei der offensichtlich breiten Opposition liegt. Diese ist nun am Zug, um nach der Abwahl einen Gegenkandidaten zu präsentieren. Die Zeit ist freilich knapp. Schließlich muss eine Aufstellung fristgerecht bis 30. September eingereicht werden.

Reichlich Arbeit

Im Sinne des Sports bleibt zu hoffen, dass möglichst bald ein handlungsfähiger Vorstand zustande kommt.

„Im Herbst stehen die Budget-Planung, die Einreichung der Spitzensport-Projekte sowie die Erstellung der Rahmentrainingspläne an“, mahnen die vor den Kopf gestoßenen Vize-Präsidenten Erich Pachoinig und Manfred Hausberger, die sich aufgrund eines Zwischenrufs von Kutschera zu einer neuerlichen Kandidatur ebenfalls nicht äußern wollten.

Dem Verband drohen somit chaotische Tage. „Der Verlierer der Wahl ist der Judo-Sport“, lautete deshalb auch das Resümee von Vorstands-Mitglied Martin Poiger.

Die Opposition sieht das naturgemäß anders. Hauptkritikpunkte an Kutschera, der acht Jahre im Amt war, sind fehlende Handschlag-Qualität, leere Versprechungen, unklare Linie in der Trainerfrage und ungewisse finanzielle Lage (siehe Rechnungsprüfung).

Das oppositionelle Motto könnte demnach lauten: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Reinhold Pühringer