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„Nationales Interesse!“ – Gebauer vor Einbürgerung

„Nationales Interesse!“ – Gebauer vor Einbürgerung

Eigentlich lautet die Floskel so: „Sie könnten noch drei Tage spielen, sie würden kein Tor erzielen.“

Am Donnerstagabend musste diese umformuliert werden: „Er könnte noch drei Tage spielen, er würde kein Tor bekommen.“

Thomas Gebauer hielt und hielt und hielt. Der Keeper der SV Ried war im Europa-League-Quali-Spiel gegen Bröndby Kopenhagen der Mann des Spiels und ließ mit Weltklasse-Paraden die Null stehen.

„Ein tolles Gefühl“

Dank der zwei geschossenen Innviertler Tore reisen die „Wikinger“ kommende Woche als Favorit auf den Aufstieg gegen den traditionsreichen Verein in die dänische Hauptstadt.

„Es ist ein tolles Gefühl, wenn man wieder zeigen kann, man ist ein echter Rückhalt für die Mannschaft“, freute sich der 29-Jährige, der vergangene Saison Monate wegen eines Kreuzbandrisses ausfiel, gegenüber LAOLA1.

„Mit so einer Mannschaft auf diese Weise Fußball zu spielen macht Spaß und ist einfach ein Traum“, schwärmte der Keeper nach dem Bröndby-Spiel.

Gebauer soll Österreicher werden

Ins Schwärmen kamen auch die Fans, die die Leistung des Keepers mit den üblichen „Deutscher, Deutscher“-Schlachtgesängen mehrmals honorierten.

Aber singen sie bald „Österreicher, Österreicher“?

Denn schließlich ist es gewiss: Thomas Gebauer soll österreichischer Staatsbürger werden.

„Stefan Reiter kam auf mich zu und fragte mich, ob ich mir das vorstellen kann. Ich habe das mit meiner Familie besprochen und wir sind dann zu einem positiven Entschluss gekommen“, blickt der Bayer auf jenen Tag zurück, als der Ried-Manager dieses Thema ansprach.

Die Idee hatte in erster Linie einen pragmatischen Hintergrund: Wäre Gebauer Österreicher, würde ein Ausländerplatz im Kader der Innviertler frei werden – ein augenscheinlicher Vorteil.

Für Gebauer („Ich will aus Österreich gar nicht mehr weg“) wäre es eine Art Dankeschön an jenen Verein, der ihn 2006 aufnahm.

Auf dem Weg zum Ministerrat

Und für Österreich könnte der Goalie durch seine Einbürgerung nebenbei zu einem Gewinn für das Nationalteam werden. Hier liegt auch der Schlüssel zum wahrscheinlichen Erfolg des Verfahrens.

Letztere betrifft die Ausführungsbestimmungen, festgehalten in den FIFA-Statuten (Hier der Wortlaut), also ob der Spieler bei einem Verbandswechsel für den „neuen“ Verband spielberechtigt ist.

Gleich vorneweg: Gebauer hat für Deutschland weder ein Nachwuchs- noch ein A-Team-Länderspiel bestritten.

Gebauer erfüllt Bestimmungen

Darauf aufbauend gilt in seinem Fall Artikel 17 der Ausführungsbestimmungen, der wie folgt lautet:

„Ein Spieler, der (…) eine neue Staatsbürgerschaft annimmt und (…) noch nicht international Fußball gespielt hat, ist für die neue Verbandsmannschaft nur spielberechtigt, wenn er eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt (…): Der Spieler war nach seinem 18. Geburtstag während mindestens fünf Jahren ununterbrochen auf dem Gebiet des betreffenden Verbands wohnhaft.“

Reiter: „Er ist seit fünf Jahren ununterbrochen in Österreich. Die rechtlichen Bestimmungen der FIFA erfüllt er.“

So weit, so gut. Bleiben die Bestimmungen der Republik Österreich zu erfüllen.

„Es gibt die normale Schiene der Einbürgerung wie für jeden anderen und es gibt die Schiene der Einbürgerung, wenn du besondere Interessen für die Republik Österreich erbringen wirst oder erbracht hast“, erklärt Hollerer.

Wie sieht überhaupt der Status quo aus?

„Die Vorarbeiten sind erledigt, jetzt geht es Richtung Wien in den Ministerrat, da wird dann die Entscheidung gefällt“, schildert Reiter.

Zwei verschiedene Schienen

Grundsätzlich müssen bei so einem Verfahren zwei Aspekte unterschieden werden, wie Dr. Thomas Hollerer, der Direktor für Recht und Administration beim ÖFB, bestätigt.

„Es gibt die Bestimmungen der Republik Österreich für die Staatsbürgerschaft und es gibt die Bestimmungen der FIFA für die Spielberechtigung.“

ÖFB sorgt für „nationales Interesse“

Übertragen auf den Fall Gebauer bedeutet dies laut ÖFB-Rechtsexperten: „Wenn er ein Kandidat für das Nationalteam wäre, dann ist das von sportpolitischem Interesse und dann entscheidet der Ministerrat, ob das Anliegen ausreichend wichtig ist.“

Das Gute an der Sache: Wenn die Einbürgerung von nationalem Interesse ist, dann kommt der Antrag vor den Ministerrat – ein freilich hohes, aber dafür beschleunigendes Gremium.

Der ÖFB, in persona Präsident Leo Windtner im Zusammenspiel mit Generaldirektor Gigi Ludwig und Sportdirektor Willi Ruttensteiner, muss den Weg dafür ebnen, dass die Einbürgerung Gebauers von „nationalem Interesse“ sei und damit vor den Ministerrat gelangt.

„Dieses Vorhaben wird seitens des ÖFB unterstützt. Ich habe mit dem Präsidenten und Sportdirektor gesprochen“, versichert Reiter.

Auf den Spuren von Anna Netrebko

Mit dem Segen der FIFA und des ÖFB sowie durch das Erfüllen der Kriterien steht Gebauers Einbürgerung kaum mehr etwas im Weg.

Ein vergleichbarer Fall, zumindest vom Prozedere her, war übrigens jener der Opernsängerin Anna Netrebko, die ebenfalls durch einen Ministerrats-Beschluss im Sommer 2006 die Staatsbürgerschaft erhielt.

„Ich denke, die Chancen stehen gut, dass es durchgeht“, ist auch Gebauer optimistisch. Auch mit einer Teamkarriere beim ÖFB?

„Darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Das müssen dann auch andere entscheiden“, wiegelt die Innviertler Nummer eins („Christian Gratzei ist momentan in sensationeller Form“) noch ab.

Mit Weltklasse-Leistungen wie gegen Bröndby wäre es aber wohl nur eine Frage der Zeit, wann Gebauer auch für Teamchef Constantini von „nationalem Interesse“ wäre.

 

Bernhard Kastler