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"Fußballer leben in einer eigenen Welt"

„Hoffentlich ist meine Leidenszeit vorbei“, sagt Michael Schimpelsberger.

Ein Achillessehnenriss und ein Kreuzbandriss haben dazu geführt, dass der 23-Jährige in den vergangenen eineinhalb Jahren nur drei Meisterschaftsspiele für den SK Rapid bestreiten konnte.

Statt eines Stammplatzes auf der Rechtsverteidiger-Position war der Linzer Stammgast bei der medizinischen Abteilung der Hütteldorfer.

„Das muss man erst einmal verkraften können. Aber ich bin dadurch erwachsen geworden“, erklärt Schimpelsberger.

Wie ihm der Blick über den Horizont hinaus in dieser schwierigen Phase geholfen hat, wie seine Erfahrungen der Mannschaft helfen sollen, was ihm das Zuschauen auf der Tribüne gebracht hat und was er nach dem Karriereende gerne machen würde, erzählt er im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Was macht das Doppelzimmer Mario Sonnleitner/Michael Schimpelsberger in der Trainingslager-Freizeit?

Michael Schimpelsberger: Wir sind beide eher ruhige Typen. Ab und zu läuft der Fernseher, sonst schauen wir, dass wir die Zeit zur Erholung nützen und führen ein paar Männergespräche.

LAOLA1: Derzeit schläfst du neben Mario Sonnleitner, wann spielst du wieder neben ihm?

Schimpelsberger: Ich bin wieder topfit, wobei mir natürlich die Spielpraxis fehlt. Ich würde sagen, ich bin bei 80 Prozent, weil eben die Spiele noch fehlen. Der Rest wird durch die Spiele kommen. Hoffentlich ist meine Leidenszeit vorbei.

LAOLA1: Wie geht es dir bei Zweikämpfen und Schnittbällen?

Schimpelsberger: Ich habe mir schon nach meiner ersten Verletzung angewöhnt, gar nicht viel darüber nachzudenken und mit Vollgas in die Zweikämpfe zu gehen. Wenn man Angst hat, verletzt man sich eher, als wenn man normal in die Duelle geht.

LAOLA1: Wie war diesmal der Weg zurück?

Schimpelsberger: Es war ein harter Weg, aber der Vorteil war, dass ich ja schon wusste, wie es funktioniert. Ich wusste, dass Rückschläge kommen werden. Dadurch habe ich sie besser verkraftet. Wenn die anderen im Sommer zum Training rausgehen und ich nur in die Kraftkammer gehen konnte, war es schon sehr schwierig. Aber man muss sich trotzdem motivieren, man will ja wieder zurückkommen.

LAOLA1: Was hast du dir damals unmittelbar nach dem Kreuzbandriss gedacht?

Schimpelsberger: Ich konnte es gar nicht glauben. Als ich die Diagnose gehört habe, habe ich mir nur gedacht: „Warum schon wieder ich?“ Mannschaft, Trainer, Verein und Familie haben mir aber immer das Gefühl gegeben, dass sie hinter mir stehen, wegen ihnen bin ich positiv geblieben. Dieser Rückhalt ist sehr wichtig, weil man sich als Verletzter ja sowieso schon selbst genug Stress macht.

LAOLA1: Hast du dir irgendwann mal gedacht, dass dein Körper vielleicht einfach nicht für den Profisport geschaffen ist?

Schimpelsberger: Natürlich kommen solche Gedanken. Ich hatte innerhalb von zwei Jahren die schlimmsten Verletzungen, die man als Fußballer haben kann. Das muss man erst einmal verkraften können. Aber alles im Leben passiert aus einem Grund. Ich habe die Verletzungen angenommen und mich als Mensch irrsinnig weiterentwickelt. Ich bin dadurch erwachsen geworden. Man muss das ja alles ein wenig relativieren – es gibt so viele Menschen, denen es so viel schlechter geht. Ich hatte Verletzungen, die wieder gut werden. Ich habe einfach versucht, ein bisschen über den Horizont hinaus zu schauen und das dadurch besser zu verkraften.

"Man lernt vom Zuschauen, auch wenn es ziemlich hart ist"

LAOLA1: Denkst du dir manchmal: „Wer weiß, wo ich schon wäre, hätte ich in den vergangenen eineinhalb Jahren mehr als drei Spiele gemacht.“?

Schimpelsberger: Es bringt doch nichts, in die Vergangenheit zu schauen. Das gehört einfach zu meinem Leben, zu meiner Karriere dazu. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich durch diese Erfahrungen neu durchstarten werde.

LAOLA1: Hast du einen Stammplatz-Anspruch?

Schimpelsberger: Jeder Spieler muss diesen Anspruch haben. Mein primäres Ziel ist einfach, fit zu bleiben und durch Einsatzminuten zu alter Stärke zurückzufinden. Deshalb mache ich mir in der Vorbereitung auch keinen großen Druck.

LAOLA1: Wenn man Spiele auf der Tribüne verfolgt, sieht man sie natürlich anders, als wenn man selbst am Feld steht. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?

Schimpelsberger: Man lernt vom Zuschauen, auch wenn es ziemlich hart ist. Ich bin mir schon mehr wie ein Fan als wie ein Spieler vorgekommen (lacht). Aber es stimmt: Man sieht aus dieser Perspektive die Räume und die Bewegungen ganz anders. Ich konnte da schon etwas mitnehmen. Ich habe auch gemeinsam mit Stefan Oesen (Anm.: Videoanalyst bei Rapid) zusammengearbeitet und versucht, das, was ich gesehen habe, darzustellen. Das hat mir sicher etwas gebracht.

LAOLA1: Hast du dabei den Wunsch entwickelt, irgendwann mal Trainer zu werden?

Schimpelsberger: (lacht) Ich weiß es nicht. Ich bin sehr interessiert in Mentaltraining und Ernährung. Ich kann mir gut vorstellen, nach meiner Karriere in diesem Bereich etwas zu machen.

LAOLA1: Zum Abschluss die Frage nach den Saisonzielen – als Mannschaft und für dich persönlich?

Schimpelsberger: Als Mannschaft ist der zweite Platz unser Ziel. Ich persönlich will ein Jahr fit bleiben und so viel wie möglich spielen.

Das Gespräch führte Harald Prantl

LAOLA1: Inwiefern über den Horizont geschaut?

Schimpelsberger: Als Fußballer lebt man ja in einer eigenen Welt – es gibt Fußball und die Familie und dann kommt einmal lange nichts. Doch es gibt so viele Schicksale, Menschen, die schwer krank sind, Menschen, die nichts zum Essen haben. Damit verglichen geht es mir gut. Es waren zwar meine Achillessehne und mein Knie kaputt, aber ich wusste, dass das wieder wird. Das hat mir Kraft gegeben. Ich habe mich in meiner Verletzungszeit einfach viel mehr mit dem Leben beschäftigt. Ich habe viel gelesen, habe im Mental-Bereich gearbeitet, habe versucht, im Ernährungsbereich das Maximum aus mir herauszuholen – ich habe irrsinnig viel abgenommen. Man kommt dahinter, dass es schneller gehen kann, als man glaubt. Die Zeit als Fußballer ist begrenzt. Es kann von einem Moment auf den anderen vorbei sein. Wenn ich wieder auf den Platz zurückkehren kann, glaube ich, in eine Rolle hineinwachsen zu können, in der ich der Mannschaft wirklich weiterhelfen kann.

LAOLA1: Du strebst also die Rolle eines Führungsspielers an?

Schimpelsberger: Ich bin nach Steffen Hofmann und Mario Sonnleitner am längsten bei den Rapid-Profis. Ich werde am 12. Februar zwar erst 24 Jahre alt, will aber  - auch durch den Spiel-Rhythmus – in eine Führungsposition kommen. Auch durch meine Erfahrungen mit Verletzungen kann ich jungen Spielern helfen, besser damit umzugehen, wenn es einmal nicht so läuft. Bei Andreas Kuen habe ich etwa versucht, ihm durch die schwierige Zeit zu helfen.