news

"In der Liga war Salzburgs Pressing zweitrangig"

Von den Ergebnissen her war es ein klarer Fehlstart, den Oliver Glasner in seine Karriere als Cheftrainer hingelegt hat.

Nach dem Auftaktsieg gegen Wiener Neustadt folgten acht Partien ohne vollen Erfolg. Plötzlich fanden sich die Innviertler am Tabellenende wieder.

Im LAOLA1-Interview erklärt der Ried-Coach, warum das eigentlich keine Überraschung war, wie es die Mannschaft, die in den letzten sieben Herbst-Runden nur einmal verloren hat, da wieder raus geschafft hat und warum er trotz zehn Joker-Toren kein goldenes Händchen hat.

LAOLA1: Wie zufrieden sind Sie mit der Transferzeit?

Oliver Glasner: Sehr! Wir haben unsere Transfers schon sehr zeitig getätigt. Wir haben sehr aktiv nach einem Linksverteidiger gesucht. Petar Filipovic hatte schon beim Probetraining im Herbst einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Nachdem die letzten Vertragsdetails geklärt waren, haben wir schnell zugeschlagen, weil er fußballerisch und charakterlich sehr gut zu uns passt. Michele Polverino ist uns „passiert“. Wir wussten durch unseren Ex-Spieler Martin Stocklasa, dass er den FC Vaduz verlassen möchte. Durch den Innenbandeinriss von Marcel Ziegl und die Tatsache, dass wir im Herbst in der Defensive einige Male rochieren mussten, haben wir ihn geholt. Es wird auch bei diesen beiden Neuzugängen bleiben, unser Transferfenster ist zu. Wir hätten noch einen Spanier (Anm.: Manuel Gavilan) am Zettel gehabt, der war aber nicht erschwinglich.

LAOLA1: Sie haben kurz vor Jahresende bei Roger Schmidt in Leverkusen hospitiert. Warum?

Glasner: Ich musste für die UEFA-Pro-Lizenz eine Auslandshospitation machen. Eigentlich wollte ich zu Borussia Dortmund, das aber aufgrund der schwierigen Situation im Herbst keinen Trainer zur Hospitation genommen hatte. Vom 1. FC Köln und Peter Stöger hatte ich schon fast eine Zusage, das hat sich dann aber kurz davor zerschlagen. Dann habe ich Roger, der mir schon angeboten hatte, dass ich immer zu ihm komme, angerufen. Es waren sehr interessante Eindrücke.

LAOLA1: Man sagt über junge Spieler, dass man erst sieht, wie gut sie wirklich sind, wenn sie das erste Tief durchtaucht haben. Wie ist das mit jungen Cheftrainern?

Glasner: (lacht) Das weiß ich nicht. Als Trainer wirst du an den Ergebnissen gemessen – sind sie positiv, ist man ein guter Trainer. Alles andere ist in Wahrheit egal. Wir haben zu Beginn einen schwierigen Herbst durchgemacht. Für mich war es die erste Station als Cheftrainer, ich musste mich erst zurechtfinden. Zudem war ein großer Umbruch im Verein, wir haben acht neue Spieler bekommen – der Großteil davon hatte wenig bis keine Bundesliga-Erfahrung. Wir haben die jüngste Mannschaft der ganzen Liga. Wenn man das alles berücksichtigt und die Anfangseuphorie, die wir selbst hatten, ausklammert, war es vorhersehbar, dass nicht alles von heute auf morgen funktioniert.

LAOLA1:Wurde diese Spielidee am Anfang größer gemacht, als sie eigentlich war?

Glasner: Es ist nicht so, dass man sagt, man spielt so, und es funktioniert dann. Das Angriffspressing war ja auch nicht der einzige Erfolgsgarant von Red Bull Salzburg. Das hat gegen Ajax und die Bayern hervorragend funktioniert, in der Liga war das aber eher zweitrangig, weil gegen Salzburg überhaupt keine Mannschaft mehr von hinten herausgespielt hat. Da geht es um andere Dinge, nämlich grundsätzliche Verhaltensweisen. Und es dauert, diese Muster, die sich eingeschliffen haben, zu verändern. Das sind viele kleine Puzzle-Teile. Ich selber habe mir gewünscht, erhofft und vielleicht auch insgeheim erwartet, dass das etwas schneller funktioniert. Wir sind lange noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg.

LAOLA1: Zehn der 26 Rieder Treffer waren Joker-Tore. Haben Sie ein goldenes Händchen?

Glasner: Das glaube ich nicht. Die Joker-Tore sind ein Verdienst der Spieler. Es zeigt, welcher Teamgeist in der Truppe steckt – da sitzen keine beleidigten Leberwürste auf der Bank. Außerdem: Wenn ich gegen die Austria daheim 0:1 hinten bin und drei gelernte Stürmer einwechsle, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass es einer von denen ist, wenn wir den Ausgleich erzielen.

LAOLA1: Wie meinen Sie das mit der Euphorie?

Glasner: Ich selbst und der ganze Klub sind mit großer Euphorie in die neue Saison gegangen. Wir haben uns sicher etwas blenden lassen. Umso schöner ist es dann, wenn man das Tief gemeinsam durchtaucht und da gut herauskommt.

LAOLA1: Selbstverständlich war es aber nicht, dass der Verein in dieser Phase so ruhig geblieben ist, oder?

Glasner: Wenn man das von außen betrachtet, mag es so sein. Wenn man tiefer hineinblickt, war es nicht so überraschend. Ich erwarte mir als Trainer auch von einem Klub, dass er sich genau anschaut, wie der Trainer, sein Team und die Mannschaft arbeiten. Und, dass man analysiert, woran es hapert. Da hat man erkannt, dass ein paar Rädchen noch nicht ineinander verzahnt waren, dass aber auch nicht viel fehlt, damit das Werk’l rund läuft. Manager Stefan Reiter hat genau hingeschaut und in die Mannschaft reingehört. Es gab nie Unruhe bei uns. Der Schlüssel war, dass wir immer als Einheit aufgetreten sind.

LAOLA1: Was war der schwierigste Moment im Herbst?

Glasner: Ich erinnere mich an das Auswärtsspiel in Altach, in einer Phase, in der es überhaupt nicht gelaufen ist. Nach drei Minuten gehen wir durch einen Elfer 0:1 in Rückstand und nach einer halben Stunde wird einer unserer Spieler ausgeschlossen. Zur Pause sind die Spieler in der Kabine gesessen und hatten die Köpfe fast schon zwischen den Knien. Da haben wir gesagt: „Wir haben uns das eingebrockt und sind die einzigen, die das auslöffeln können. Aber gemeinsam!“ Dann drehen wir das Spiel, führen 2:1, haben die Riesenchance auf das 3:1 und kassieren in der 94. Minute den Ausgleich – ein Volley aus 20 Metern! Da denkst du dir: „Hat sich jetzt alles gegen uns verschworen?“ Aber auch das hat uns nicht unterkriegen können. Wir sind positiv geblieben, haben unsere Spielidee weiter verfolgt und sind dafür belohnt worden.

LAOLA1: Wie weh hat es Ihnen getan, wenn Sie sich im Herbst die Zuschauerränge bei den Heimspielen angeschaut haben? Es sind durchschnittlich keine 4.000 Fans pro Spiel gekommen – das ist der niedrigste Wert seit dem Wiederaufstieg vor zehn Jahren.

Glasner: Es ist einfach so, dass es sich über die Jahre hinweg abnutzt. Wenn du jedes Jahr vier Mal gegen den gleichen Gegner spielst… Auch in der ersten Rieder Phase in der Bundesliga sind die Zuschauerzahlen am Ende rapide nach unten gegangen. Die Leute hat es einfach nicht mehr so interessiert. Außerdem hatten wir in einer relativ schönen Jahreszeit rund sechs Wochen lang kein Heimspiel, dafür dann aber Ende November, Anfang Dezember drei. Diese Parameter spielen auch in die Statistik rein. Ich bin aber nicht so blauäugig, zu sagen, dass da alle anderen schuld sind – zu Beginn hat unsere Leistung nicht gepasst. Aber man konnte den Jungs nie vorwerfen, dass sie nicht von der ersten bis zur letzten Minute alles gegeben hätten. Ich würde mir von den Fans wünschen, dass sie das honorieren.

LAOLA1: Sechs Punkte Rückstand auf einen Europacup-Platz. Wo soll die SV Ried am Ende der Saison stehen?

Glasner: Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir um den fünften Platz, der wahrscheinlich für eine Europacup-Teilnahme reicht, mitspielen wollen. Dann sind wir angeprangert worden. „Ried ist heuer groß dran, die wollen in den Europacup“, hat es geheißen. Dann haben wir gesagt, dass wir ins Mittelfeld wollen. „Ried macht sich immer kleiner, als es ist“, hat es dann geheißen. Deswegen ist mir die Tabelle jetzt egal. Die Kurve geht nach oben und wir wollen uns in allen Bereichen entwickeln.

Das Gespräch führte Harald Prantl