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Bedürfnis-Erhebung: Rudern in Wien

Bedürfnis-Erhebung: Rudern in Wien

Von einer Olympia-Bewerbung halten rund 72 Prozent der Wiener bekanntermaßen nichts. Nichtsdestoweniger ist das Infrastruktur-Problem der Sommersport-Verbände in Wien ein offenkundiges.

Bürgermeister Michael Häupl kündigte an, eine Bedürfnis-Erhebung unter den Fachverbänden durchführen zu lassen, um sich ein Bild von der Lage in Wien zu machen.

LAOLA1 greift dem vor und zeigt auf, wo in den Sportverbänden der Hebel angesetzt werden könnte:

 

Der Rudersport ist in Österreich und speziell in Wien stark verankert. So darf sich der Erste Wiener Ruderclub LIA - der in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiert - etwa als ältester Körpersport betreibender Verein Kontinentaleuropas bezeichnen.

Aktuell gehen in der Bundeshauptstadt rund 1.500 Menschen dem Rudersport nach. Dabei hat sich die Klientel in den letzten Jahren gewandelt. Rudern erfreut sich mittlerweile vor allem bei Sportlern in den 30ern und 40ern großer Beliebtheit. Die Ausdauersportart an der frischen Luft, die zudem kaum Verletzungsrisiko birgt, lockt zahlreiche Hobby-Sportler an. Aber auch in den Nachwuchsklassen stieg die Zahl der Ruderer in den letzten Jahren.

Der Zulauf ist so groß, dass er für die 14 Wiener Rudervereine kaum zu bewältigen ist. Die Ressourcen in puncto Logistik und Wasserzugang sind an der Donau knapp und vor allem in der Stoßzeit zwischen 16 und 19 Uhr kommen sich Freizeitsportler und Wettkämpfer teilweise in die Quere.

Mit dem Platz wird es immer enger

"Wir haben in Wien das Thema, dass wir die Bootshäuser der Vereine an der alten Donau haben und diese in Wirklichkeit kein Trainingsgewässer mehr ist. Es ist ein Freizeitgewässer mit Motorbooten, Schlauchbooten, Segelbooten. Natürlich kann man dort Rudern, aber in Wahrheit eignet es sich nur für Anfängertraining und Freizeitsport. Der Leistungssport findet auf der neuen Donau im Ruderzentrum statt", erklärt Thomas Kornhoff, Präsident des Wiener Ruderverbandes, im Gespräch mit LAOLA1.

Das Ruderzentrum an der Neuen Donau
Im Leistungszentrum an der Neuen Donau betreiben zwischen 30 und 40 Sportler ihr leistungsbezogenes Training. Darunter etwa die Brüder Paul und Bernhard Sieber, im vergangenen Jahr U23-Weltmeister und eine der größten Ruder-Hoffnungen Österreichs im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2016.

Schwierige Situation um LZ Neue Donau

Mit der Situation um den Stützpunkt ist Kornhoff nicht restlos glücklich: "Die Schwierigkeit liegt darin, dass das Ruderzentrum, das seit Jahrzehnten eigentlich nur von Ruderern frequentiert wird und für das tägliche Training einfach notwendig ist, an eine Gesellschaft verpachtet wurde, die im Eigentum des Kanu-Verbandes steht. Wir haben nichts gegen den Kanu-Verband, aber wir sind nicht mehr Herr im Haus. Im Moment sind wir nicht einmal Untermieter, wir benutzen es einfach. Auf Dauer ist das nicht die Lösung, die wir uns wünschen."

Im 25 Jahre alten Gebäude müssten einige Instandsetzungen und Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, beispielsweise gibt es kein Warmwasser für die Duschen. Dies liegt allerdings nicht in der Hand der Ruderer. Die Kanuten haben mit dem Bau einer Wildwasser-Strecke aktuell aber naturgemäß andere Prioritäten. "Bei aller Bestrebung zur Zusammenarbeit mit den Kanuten, ist die Situation nicht ideal", erklärt Kornhoff.

"Wir würden uns ein Trainingszentrum und auch ein Regattazentrum wünschen, wo wir Ruder-Veranstaltungen durchführen können und wo wir selbst bestimmen können, was dort passiert."

Problemfall Winter

Einige Schwierigkeiten bringen naturgemäß auch die Wintermonate mit sich, in denen nicht auf der Donau trainiert werden kann. Alternativ steht ein Ruderbecken in der Stadthalle zur Verfügung, auch wenn es sich dabei nicht wirklich um eine ernsthafte Alternative handelt.

Die Sieber-Brüder sind die große Hoffnung

"Das Ruderbecken ist so alt wie die Stadthalle selbst und von der Hydrodynamik nicht optimal. Da gäbe es andere Trainingsmöglichkeiten, die ruderähnlicher sind."

So wurde ausgerechnet in Wien eine Rudermaschine entwickelt, die dem Sportler mittels ausgefeilter Technik ähnliches Feedback gibt, wie ein echtes Boot auf dem Wasser und die Kraftverläufe messbar macht.

"Damit ist es möglich, die Bewegungsdynamik der Mannschaften zu synchronisieren, ohne die Sportler tatsächlich zusammen im Boot zu haben", erklärt Kornhoff.

Wiener Technik nicht leistbar

Allerdings findet dieses Gerät in Österreich keine Verwendung, weil es sich der Verband nicht leisten kann, im Gegensatz zu anderen Ländern. "Es wird von allen Leistungszentren und Olympiastützpunkten in Deutschland, Großbritannien etc. eingesetzt. Wünschenswert wären aus unserer Sicht sechs Geräte, um vernünftig damit arbeiten zu können. Die Kosten würden sich hierfür auf rund 60.000 Euro belaufen."

Das "Nein" der Wiener zur Olympia-Bewerbung ist auch für die Ruderer enttäuschend, hätten sie sich bei Spielen in der Bundeshauptstadt doch über neue Anlagen freuen dürfen. Die aktuelle Regatta-Strecke entspricht mittlerweile nämlich nicht mehr den olympischen Standards. Für andere internationale Wettkämpfe wäre man - nach kleineren Sanierungen der aktuellen Infrastruktur - hingegen gerüstet.

Im Raum stand zuletzt eine Bewerbung für die WM 2017. Diese scheiterte allerdings an den horrenden finanziellen Forderungen des internationalen Verbandes, denen die öffentliche Hand nicht nachkommen wollte - zurecht, wie Kornhoff betont.

Die von Bürgermeister Häupl angekündigten Bedürfniserhebung hält Kornhoff für eine gute Idee, die aber auch strukturiert angegangen werden muss. Bisher wurde der Kontakt zur Ruderei noch nicht gesucht.

Auch wenn in einigen Punkten Verbesserungsbedarf besteht, versichert Kornhoff, dass die Problemchen nicht als Erklärung für die überschaubaren Erfolge der letzten Jahre, vor allem auf Olympia-Ebene, herangezogen werden: "Wir werden die Situation sicher nicht als Ausrede hernehmen. Natürlich wäre es schön, etwas mehr Möglichkeiten zu haben, aber egal ob etwas passiert oder nicht, wir können und werden wieder Erfolge erzielen."

 

Christoph Kristandl