LAOLA1: Wie sieht die realistische Zielsetzung für das Duell mit dem Nachbarland aus?

Gregoritsch: Realistisch ist, dass wir nicht verlieren. Wenn die Tagesform passt, wirklich alles erfüllt wird, was wir drauf haben, und wir das hundertprozentige Potenzial abrufen können, kann man sich auch einen Sieg erwarten. Gerade im Jugend-Fußball ist es immer schwer, darüber zu reden. Besser ist es, auf den Platz zu gehen und zu beweisen, was man drauf hat. Die Mannschaft hat aber das Zeug dazu, ungeschlagen aus Ungarn zurückzukehren.

LAOLA1: Probleme bereitet das Personal. Wie gehen Sie mit den vielen Ausfällen um?

Gregoritsch: Wir haben im Prinzip einen 25-Mann-Kader, in den einige Neue wie Gerald Peinsipp von St. Pölten dazugekommen sind. Der Großteil spielt in der Bundesliga bzw. hat Kampfmannschafts-Erfahrung im Profi-Fußball. Das ist überhaupt kein Thema. Es wäre sehr negativ, wenn man sich auf drei, vier Spieler ausredet, die jetzt ausfallen. Das ist halt so im Nationalteam. Es ist mir auch bewusst, dass Marcel Sabitzer nach oben gezogen wird, wenn er gebraucht wird. Die, die jetzt dabei sind, können die sicher nahtlos ersetzen.

LAOLA1: Unter den Fehlenden sind einige Stützen. Gehen da nicht die Alternativen aus?

Gregoritsch: Was uns ein bisschen wehtut, ist, dass Martin Hinteregger gesperrt ist. Das tut weh, weil er ständig gute Form bewiesen hat. Dafür kommt ein Kevin Wimmer in die Mannschaft, der jetzt fix bei Köln spielt. Ansonsten haben wir Spieler, bei denen es möglich ist, sie auszuwechseln. Der Kader ist auch in der Breite qualitativ sehr groß.

LAOLA1: Das spricht wiederum für die Entwicklung der Bundesliga und der Legionäre.

Gregoritsch: In Wahrheit kommen alle Spieler aus der Akademie-Entwicklung. Das U21-Team ist das letzte Nachwuchsteam. Wenn man dann sieht, wie leicht sich die tun, wenn man taktisch mit ihnen arbeitet und wie vorgebildet sie sind, kann man schon sagen, dass es ein Spiegelbild der gesamten Jugend-Entwicklung in Österreich ist.

LAOLA1: Trotz der Ausfälle verzichten Sie weiter auf Raphael Holzhauser. Ist das Vertrauen in ihn durch den Vorfall für immer verloren gegangen oder sehen Sie noch eine Chance?

Gregoritsch: Im Jugend-Fußball ist es so, dass man junge Menschen hat, die natürlich noch nicht reife Persönlichkeiten sind, sondern die heranwachsen. Ich bin seit 20 Jahren Pädagoge. Dass da natürlich ein Fehler passieren kann, ist klar. Das ist jetzt aber für mich nicht das Thema. Man kann nicht gleich sagen, dass die Türen komplett zugeworfen sind, es muss ja auch die sportliche Leistung passen. Die hat bei Raphael Holzhauser in den letzten drei, vier Spielen nicht gepasst. Das war nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Dadurch ist es nicht nur alleine eine disziplinäre Begründung. Nur vom Namen her oder weil er in der deutschen Bundesliga spielt, heißt noch lange nicht, dass er im Nationalteam die Leistung bringen muss. Das hängt natürlich von einer gewissen Einstellung ab.

LAOLA1: Im Frühjahr lobten Sie ihn noch als „verlängerten Arm“, der in einer anderen Welt spielt, da er in Deutschland Erfahrung und Reife sammelt. Könnte er nicht doch helfen?

Gregoritsch: Im Frühjahr hat er ja anders Fußball gespielt, da hatte er eine andere Einstellung. Wenn Sie den verlängerten Arm erwähnen, können Sie sich vorstellen, wie es einem geht, wenn man so einen disziplinären Ausfall bemerkt. Das hat nicht nur mit Sport, sondern auch mit was anderem zu tun. Das ist eine Vertrauenssache.

LAOLA1: War es also mehr eine persönliche Enttäuschung für Sie?

Gregoritsch: Nein, es war überhaupt keine persönliche Enttäuschung. Es handelt sich um eine Einstellungs- und Qualitätssache. Bei Fußballern ist es so, dass die Qualitätsfrage nicht nur von der fußballerischen Leistung, sondern auch von der Einstellung abhängt. Man hat gesehen, dass das nicht gepasst hat. Dadurch ist er jetzt nicht dabei. Aber das ist momentan gar nicht mein Thema, wir bereiten uns auf Ungarn vor. Meine Konsequenz habe ich gezogen, aber die Türen sind sicher nicht zugeschlagen, wenn alles so passt, wie ich mir das vorstelle.

LAOLA1: Wie sind Sie derzeit mit der Entwicklung jener Spieler zufrieden, die in diese Führungsrolle im U21-Team drängen?

Gregoritsch: Es sind mehrere Spieler. Hinteregger ist ein Spieler, der sich bei RB Salzburg in der Bundesliga und international auf sehr hohem Niveau beweist. Er hat die Mannschaft sicher auch jetzt schon geführt. Auch Daniel Offenbacher kann die Mannschaft mit seiner Leidenschaft und Qualität führen, auch Robert Zulj, weil er wirklich sehr gute Leistungen im Verein und bei uns gebracht hat. Das sind solche Spieler, die aber auch am Sprung ins A-Team sind. Wenn die höhere Aufgaben erledigen müssen, muss man auch darauf Rücksicht nehmen. Wir verlassen uns nicht auf einzelne Spieler, sondern verlassen uns mehr auf das Kollektiv.

LAOLA1: Ist es für Sie also keineswegs verwunderlich, dass Hinteregger mit Vereinen aus England und Italien in Verbindung gebracht wird?

Gregoritsch: Hinteregger ist eine Ausnahmeerscheinung. Ich halte ihn für eines der größten Verteidiger-Talente, die Österreich hat.

LAOLA1: In welcher Hinsicht sehen Sie noch das größte Verbesserungspotenzial im Team?

Gregoritsch: Speziell, wenn es gegen große Nationen geht, müssen wir noch cleverer und flexibler werden, um vielleicht diese Scheu abzulegen. Das ist für mich eine Kopfgeschichte, nicht nur eine fußballspezifische. Wir haben im Prinzip in den eineinhalb Jahren von 16 nur drei Spiele verloren, gegen Spanien, England und Holland. Mit diesen Nationen können wir in mancher Hinsicht – von der Effizienz, Zweikampfverhalten oder anderen Dingen her – nicht mithalten. Da müssen wir besser werden. Aber vom Fußballerischen hat diese Mannschaft großes Potenzial.

LAOLA1: Vorerst zählt aber wohl vorrangig, dass man mit einer realistischen Chance auf die EM ins neue Jahr geht.

Gregoritsch: So ist es. Wir wollen diese beiden Schlüsselspiele gegen Ungarn ungeschlagen drüberbringen. Ein Sieg wäre ganz wichtig, um dann ins neue Jahr zu gehen, wo man noch Albanien und Bosnien daheim und Spanien auswärts hat. Die realistische Chance in diese Zwischenqualifikation zu kommen, sollte bestehen bleiben.


Das Gespräch führte Alexander Karper